Im Dialog PSA-Fachgespräch 2025: Im Gesetzesdschungel

Die textile Lieferkette auf dem Gebiet der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) ist eng verzahnt. Regulatorische Veränderungen betreffen oftmals sämtliche Akteure einschließlich den Textilservice. Drei maßgebliche Branchenvertretungen haben daher vor einigen Jahren das PSA-Fachgespräch initiiert. Es fand Anfang Juni 2025 zum 8. Mal in Frankfurt/Main statt. R+WTextilservice war dabei.

Geschäftsführer vom German Fashion Modeverband Deutschland, Thomas Lange
Der Geschäftsführer vom German Fashion Modeverband Deutschland, Thomas Lange, eröffnet das 8. PSA-Fachgespräch in Frankfurt/Main. - © S. Anton-Katzenbach

Die Einladung zum PSA-Fachgespräch geht vom Deutschen Textil-
reinigungs Verband
(DTV, Bonn), German Fashion Modeverband Deutschland (Köln) und dem Industrieverband Veredlung, Garne, Gewebe, Technische Textilien (IVGT, Frankfurt/Main) aus. Mit der Veranstaltung informieren die drei Organisationen über aktuelle, branchenrelevante Entwicklungen und fördern den Dialog in der gesamten Lieferkette.

Den Diskussionsstoff liefern verschiedene
Vorträge sowie eine Podiumsrunde, die der Frage gewidmet war, ob die Harmonisierung des Zertifizierungsprozesses nur ein Traum ist. Dazu hatten die Veranstalter je drei Vertreter aus mehreren Prüfinstituten und aus PSA-produzierenden Unternehmen auf die Bühne geladen.

PSA mal genehmigt, mal nicht

Schnell wurde klar, dass die Zertifizierungsprozesse in Europas Prüfinstituten unterschiedlich lange Zeit dauern und damit die Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen stark beeinträchtigen können.

Es kommt außerdem zu unterschiedlichen Interpretationen, so dass Schutzkleidung bei einer Prüfanstalt genehmigt wird, bei einer anderen aber durchfallen kann. Ausschlaggebend für die sehr verschiedenen Auslegungen sind u. a. die von den Instituten festgelegte Gültigkeit der vorzulegenden Zertifikate, der Verzicht auf physische Prüfungen des eingereichten Kleidungsteils oder Messunsicherheiten zwischen den Instituten (diese werden regelmäßig im Rahmen europäischer Ringversuche ermittelt).

Solche Differenzen machen den Herstellern von Schutzkleidung zu schaffen. Im Podium wurde daher eine stärkere Einbindung der Marktaufsichtsbehörden bei der Harmonisierung der PSA-Prüfinstitute thematisiert.

Relevante Produktaspekte?

Weiterhin stand während der eintägigen Veranstaltung, zu der etwa 50 Unternehmensvertreter aus allen Bereichen der Lieferkette angereist waren, ein Update zum Green Deal auf der Agenda. Gleich zwei Vorträge waren der anstehenden Ökodesign-Verordnung gewidmet. Diese verfolgt das Ziel, nachhaltige Produkte zu fördern, um den Energieverbrauch und Umweltbelastungen bei der Herstellung, dem Gebrauch und der Entsorgung von Textilien und Bekleidung zu reduzieren. Im Rahmen eines delegierten Rechtsakts sollen darin auch Anforderungen an die Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit von Produkten festgeschrieben werden.

Mit den dafür notwendigen Kriterien beschäftigt sich eine von der Europäischen Kommission eingesetzte Expertengruppe, die aus dem Forschungszentrum JRC Joint Research Centre (JRC, Luxemburg) und dem spanischen Textilinstitut Aitex Textile Technological Institute besteht. Deren Arbeit zur Festlegung von Mindestanforderungen zur physischen Haltbarkeit von Bekleidung ist jedoch kritisch zu sehen: Den Auswertungen des Referenten zufolge ist nur die Hälfte der zur Beurteilung herangezogenen Referenzen wissenschaftlich belegbar, die andere Hälfte müsse hingegen kritisch gesehen werden. Für regulative Ableitungen sei eine höhere methodische Sorgfalt notwendig, so seine Schlussfolgerung.

Podiumsdiskussion PSA-Fachgespräch 2025
Ist die Harmonisierung des Zertifizierungsprozesses von PSA nur ein Traum? Diese Frage diskutierten Sven Holst (HB Protective Wear), Dr. Lutz Vossebein (Hochschule Niederrhein, Öffentliche Prüfstelle für das Textilwesen) Berit Böhme (Sächsische Textilforschungsinstitut), Judith Pointer (Institut für Ökologie, Technik und Innovation), Thomas Heinen (Drei-Punkt Berufskleidung) und Dr. Klaus Weirich (Hugo Josten Bekleidungsfabrik). - © S. Anton-Katzenbach

Wird Berufs- und Schutzbekleidung in Ökodesign-Verordnung aufgenommen?

Bisher steht noch nicht fest, ob Berufs- und Schutzkleidung zukünftig in den Anwendungsbereich der Ökodesign-Verordnung aufgenommen wird. Das JRC plädiert dafür, Berufskleidung einzubeziehen, PSA aber davon auszunehmen. Die finale Entscheidung steht aus, weshalb der delegierte Rechtsakt abgewartet werden muss.

Bis dahin kommt auf die Branche noch eine weitere, weitreichende Veränderung zu – der Digitale Produktpass (DPP). Er wird ab 2027 schrittweise in der EU eingeführt und betrifft u. a. Textilien und Elektrogeräte, zu denen u. a. gewerbliche Waschmaschinen und Wäschetrockner zählen. Alle unter die Verordnung fallenden Produkte müssen dann mit einem elektronischen Datensatz versehen sein.

Dieser muss Materialdaten sowie Informationen zu Herkunft, Reparierbarkeit und Nachhaltigkeit enthalten und begleitet ein Produkt über dessen gesamten Lebenszyklus. Doch auch wenn der DPP für mehr Transparenz sorgen soll, nimmt der bürokratische Aufwand für Datenerfassung und -pflege wieder einmal zu, wobei unterschiedliche Datenerfassungsmodule für Workwear, Haushaltswäsche etc. die Arbeit zusätzlich erschweren dürften. Die sich aus dem DPP ergebenden Aufgaben könnten kleinere Akteure mit geringer Personaldecke daher überfordern, so die Sorge des Referenten. Aber es gibt kein Zurück: Der DPP wird kommen.

Bei PSA stößt die digitale Herstellerinformation allerdings an Grenzen. Nach PSA-Verordnung 2016/425 sind Hersteller verpflichtet, dass einer PSA eine Anleitung und Information zu Lagerung, Nutzung, Reinigung, Wartung, Überprüfung, Desinfizierung etc. (nach Anhang II Nr. 1.4) in einer leicht verständlichen Sprache beigefügt sein muss.

Bisher wird diese der PSA in Papierform und nicht in digitaler Version beigelegt. Jährlich werden
dadurch Tonnen an Ressourcen verschwendet, weshalb sich die Branchenverbände schon länger für eine EU-weite, einheitliche Regelung dieser Vorgabe einsetzen und für eine digitale Version plädieren. Grundsätzlich soll diese durch die digitale Herstellerinformation möglich werden. Für PSA, die einen Endverbraucher erreichen kann, bleibt die Papierform jedoch verpflichtend und soll vom privaten Nutzer auf Anfrage bis zu
6 Monate nach Kauf zur Verfügung gestellt werden. Mehrere Verbände haben Kritik an diesem Vorschlag angemeldet und eine Anpassung vorgeschlagen.

Alttextilien kostenpflichtig entsorgen

Damit nicht genug. In der Pipeline steht auch die Waste Framework Directive (WFD), eine europaweit geltende Abfallrahmenrichtlinie. Sie verfolgt das Ziel, Abfälle zu vermeiden, die Ressourcennutzung zu verbessern, die Umwelt und die menschliche Gesundheit zu schützen.

Bereits seit Anfang 2025 müssen Alttextilien in Deutschland separat gesammelt werden, wobei diese Aufgabe bei den Entsorgungsunternehmen liegt.

Über die erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) sollen die Hersteller und Inverkehrbringer dazu verpflichtet werden, sich an den Kosten für Rücknahme, Entsorgung und Recycling ihrer Produkte zu beteiligen. Im Rahmen der EPR sollen die Unternehmen ihre in Verkehr gebrachten Mengen detailliert und nach Produktgruppen differenziert erfassen und melden, anhand derer dann die entsprechenden Gebühren berechnet werden.

In Frankreich und den Niederlanden werden Produzenten und Importeure bereits zur Kasse gebeten: Im Land des ­savoir vivre fallen Gebühren von 0,01-0,06 EURO pro ausgemusterte Artikel an. In den Niederlanden liegen die Gebühren zwischen 0,10 - 0,20 EURO pro kg Altware (Heimtextilien, Bekleidung). Die Verabschiedung der europaweit geltenden Verordnung steht allerdings noch aus; nach der Abstimmung in EU-Rat und Parlament muss sie innerhalb von 30 Monaten in nationalem Recht verankert sein.

Eine geäußerter Kritikpunkt an dem System: Das zirkuläre Geschäftsmodell des Textilservice und seiner Hersteller werden derzeit gar nicht berücksichtigt. Daher erwägt das DTV-Präsidium die Gründung einer Producer Responsibility Organisation (PRO) für die Branche.

PFAS – wohin des Wegs?

Für zusätzliche Unsicherheiten sorgt die geplante Beschränkung von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen durch die Europäische Kommission. Die Konsultationen sind noch immer nicht abgeschlossen, was zu erheblichen Verzögerungen führt. Zusätzlich wurde die Prüfnorm EN 17681-1 zum analytischen Nachweis der PFAS-Verbindungen kürzlich geändert – sie ergibt teilweise deutlich erhöhte Messergebnisse im Vergleich zur Vorgängerversion. Teil 2 der Norm EN 17681, die eine gezielte Analyse der flüchtigen Verbindungen von organischem Fluor ermöglichte, wurde hingegen zurückgezogen. Eine zuverlässige Prüfmethode, die Voraussetzung für eine rechtssichere Bewertung und Umsetzung regulatorischer Vorgaben ist, fehlt damit. Das hat zum Protest der Textilverbände geführt.

Darüber hinaus gibt es für PSA der Kategorie III sowie Kleidung für Streit- und andere Einsatzkräfte nach wie vor keine Alternativen, die ein den PFAS-Ausrüstungen vergleichbares hohes Schutzniveau ermöglichen. Daran dürfte sich auch in den nächsten Monaten nicht viel ändern, weshalb sich der Zeitplan für eine Beschränkung von PFAS immer weiter nach hinten verschiebt. Bis die Verordnung tatsächlich beschlossen sein wird, könnten noch mehrere PSA-Fachgespräche stattgefunden haben.

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