Digitalisierung in der "Textilreinigung des Jahres 2021" "RWin 2021": Nicht nur smart, sondern clever

Mehr auf Kunden eingehen und dadurch schneller arbeiten? Das schafft die Putzerei Klaus dank ausgeklügelter Prozesse, zu denen Kameras und Tablets gehören. Für den wegweisenden Einsatz moderner Technologie erhielt der Betrieb aus Wolkersdorf/Österreich den "RWin 2021". So arbeitet die "Textilreinigung des Jahres".

Putzerei Klaus:
Verdiente "RWin"-Gewinner (v.l.): Markus Koller, Eva Koller-Fida, Barbara und Manfred Koller betreiben die "Textilreinigung des Jahres 2021". - © Henry Recinos @ akreativestory

Barbara Koller übersieht keine Flecken. Die erfahrene Textilpflegerin verlässt sich dabei nicht nur auf ihr geschultes Auge, die 64-Jährige nutzt smarte Prozesse. Das funktioniert so: Jedes Textil, das in ihren Betrieb, der Putzerei Klaus aus Wolkersdorf in Österreich, kommt, spiegelt sich virtuell in einer Software. Salopp gesagt, gibt es jeden Fleck zweimal: auf dem Textil und auf dem Tablet. Erst wenn ein Fleck auch digital freigegeben wird, kann das Textil verpackt und ausgeliefert werden. Diesen Ansatz, den der Familienbetrieb als " smarte Prozessoptimierung" bezeichnet, wertete die Jury des Branchen­awards "RWin" als wegweisend und kürte die Putzerei Klaus zur " Textilreinigung des Jahres 2021". Das innovative System dokumentiere nämlich nicht nur Beschädigungen und Flecken, sondern schaffe gleichzeitig Vertrauen in den Betrieb und somit in die Branche .

Zum zweiten Mal in der Geschichte des begehrten "RWin" fand die Verleihung nicht wie üblich mit Festakt, sondern kontaktlos statt – der Postbote übergab Urkunde und Auszeichnung. Die geplante Besichtigung des Gewinnerbetriebes musste ausfallen: Die österreichische Regierung hatte den vierten Lockdown verhängt.

Putzerei Klaus
eder Fleck lässt sich in der Putzerei Klaus virtuell darstellen. Beim Detachieren kann der Textilpfleger so die Position und die Art des Flecks auf dem Bildschirm ablesen. Zudem kann er das Textil mithilfe der montierten Kamera ablichten. - © Putzerei Klaus

Blick in die " Textilreinigung des Jahres 2021"

Wie der von der Jury als praktisch und zukunftsweisend bewertete Einsatz moderner Technologie im Alltag des Familienbetriebs abläuft, verdeutlicht Geschäftsführer und Sohn der Inhaberin, Markus Koller, an einem Beispiel: Bringt ein Kunde nach einem Rendezvous sein Hemd in die Reinigung, wird es mit einem QR-Code versehen oder mit einem RFID-Chip registriert. "Der bleibt darauf wie ein Ersatzknopf" , vergleicht er und betont, dass die Putzerei Klaus als erstes Reinigungsunternehmen im Privatkundenservice diese Art der Erfassung schon seit Jahren anbiete. Das spare Zeit. Seine Mitarbeiter müssten dem Teil nicht jedes Mal einen neuen Zettel anheften. Liegt es auf dem Verkaufspult, wird es eingescannt oder automatisch eingelesen und die gespeicherten Informationen werden von einer Datenbank abgerufen. Jeder Kunde bekommt ein eigenes Konto, in dem seine Aufträge oder Rechnungen hinterlegt sind. Doch nicht nur das: Die Ladnerin nimmt Flecken auf. Etwa, dass am Kragen des Beispielhemds vorne links Lippenstift haftet und auf der Vorderseite Spritzer von Rotwein und Schweinefett den Stoff tränken. Darüber hinaus kann sie Vorschäden dokumentieren. Ist das Revers abgestoßen? Oder fehlen Knöpfe?

Prozesse optimieren und Zeit für Kunden schaffen

Detachiertisch in der Putzerei Klaus
Mit dem Konzept " smarte Prozessoptimierung" gewann die Putzerei Klaus den begehrten Branchenpreis "RWin". - © Putzerei Klaus

Neben Verschmutzung und Verschleiß lassen sich Hinweise für die folgenden Stationen notieren. Etwa, dass das Revers nur bis zum zweiten Knopf oder der Rand des seidenen Einstecktuchs hohl gebügelt werden soll. Das erleichtert die Arbeit. Kräfte müssen nicht erst durch Auftragsbögen blättern. Somit schaffe sich der Betrieb Zeit. Zeit, die Barbara Koller und ihre 30 Angestellten in ihre Kunden investieren. Bemerkt Koller erst beim Bearbeiten, dass die Einlage eines Sakkos wellig war, greift sie zum Telefon. "Wir rufen den Kunden an und sprechen das weitere Vorgehen ab", erklärt Sohn Markus Koller. Das schaffe Vertrauen. Die meisten sehen nur, was sie am Ende abholen, fügt Ehefrau Eva Koller-Fida hinzu. "Dass über den aktuellen Stand des Reinigungsprozesses jederzeit Auskunft erteilt werden kann, beeindruckt die Kunden." Das stärke das Wissen, dass jedes Stück behutsam behandelt werde.

Detachieren und dokumentieren

Legt ein Mitarbeiter das Hemd auf den Detachiertisch, ploppt rechts daneben ein virtuelles Abbild des Textils auf einem Monitor auf. Es zeigt die markierten verschmutzten Stellen. "Der Detacheur sieht die Flecken sofort und muss nicht erst suchen", erklärt Koller. Hinweise, wie beispielsweise auf Rotwein und Schweinefett, beschleunigten die Arbeit. "Man muss nicht erst durchprobieren.Das spart Zeit."

Am Detachiertisch hängt seit gut zwei Jahren eine Kamera. Damit kann jedes Textil vor dem Bearbeiten fotografiert und das Bild in einer Datenbank hinterlegt werden. Das hat im Schadensfall Vorteile für den Kunden und den Textilpfleger. Fällt nach dem Bearbeiten ein Loch im Jackett oder eine verfärbte Stelle in der Bluse auf, lässt sich mithilfe der angelegten Aufnahme schnell klären, ob Schäden am Stoff schon vorher bestanden. Das beugt Reklamationen vor, sagt der Geschäftsführer.

Flecken freigeben

Nach dem Waschen oder Chemischreinigen landen die Textilien an den Bügelstationen. An jedem Arbeitsplatz befindet sich ein Tablet. Wie beim Detachieren zeigt es dem Textilpfleger die Positition der Flecken an. Ist z.B. das Hemd noch nicht sauber, kommt es zum Nachbearbeiten. Bei Bedarf zieht Koller den Kunden erneut zu Rate : Darf er es bleichen? Oder soll er es auf eigenes Risiko des Kunden weiterbearbeiten? Bemerkt die Büglerin ein Loch im Gewebe, kann sie es einzeichnen. "Das sind vielleicht zwei Klicks" , verdeutlicht Koller – sprich, ein geringer Aufwand für seine Mitarbeiter. Biete er von sich aus seinen Nähservice an, komme das wiederum bei Kunden gut an.

Erst wenn ein Textil, z.B. das anfangs erwähnte Hemd, tatsächlich frei von Lippenstift und Essensspuren ist, werden die Flecken digital gelöscht und das Hemd wird zum Verpacken freigegeben. Auf diese Weise durchläuft jedes Wäschestück eine engmaschige Kontrolle und die Qualität der fertigen Wäsche steigt, erläutert Koller.

Markus Koller beim Detachieren.
Markus Koller beim Detachieren. - © Fotostudio Semrad

Wenn die ganze Familie an einem Strang zieht

"Die Kollers sind Perfektionisten", sagt Koller-Fida, die seit fünf Jahren dem Betrieb mitangehört. Laufe etwas nicht reibungslos, tüftelten sie gemeinsam an einer Lösung. Mit Erfolg, wie die Ehrung zur "Textilreinigung des Jahres" zeigt. Hinter dem Konzept stecken ausgewählte Abläufe, angepasste Hardware und eine Branchensoftware – und zwar nicht irgendeine, das Programm stammt ebenfalls aus dem Hause Koller – und zwar von Markus Kollers Bruder. "Matthias wollte mich im Büro entlasten", erzählt Mutter Barbara Koller. Das Ergebnis: Er gründete das Unternehmen clean›it. "Wir waren das Versuchskaninchen", scherzt Markus Koller. Der 32-Jährige probiert jede neue Anwendung der Software seines Bruders im Betrieb aus. "clean›it funktioniert wie eine App", vergleicht er. Es sei logisch aufgebaut und lasse sich leicht bedienen. Selbst Sprachanfänger fänden sich zurecht. Das eingesetzte Programm führe durch den Ablauf.

Kapazitäten für Kunden und Wäsche schaffen

"Ohne die Prozessoptimierung wäre der Warenanfall nicht in dieser Geschwindigkeit zu bewältigen", sagt Markus Koller. Der 1968 von seinem Großvater Josef Klaus im Weinviertel gegründete Betrieb floriert. Die Putzerei Klaus zählt mittlerweile sechs Standorte in Niederösterreich und einen im 1. Bezirk in Wien.

"Wir dürfen nicht stehenbleiben", betont Koller. Sie beobachtet: Die Branche ändert sich, ebenso das Modebewusstsein der Kunden. Kaum einer trage mehr Anzüge oder Faltenröcke. In der Putzerei landeten oft nur ausgewählte Stücke oder Problemware. Das Unternehmen habe sich deshalb spezialisiert – auf Pelzpflege, hochwertige Textilien oder Leder. In ihren Augen reicht hohe Qualität allein längst nicht mehr aus. Aus diesem Grund rückt sie die Beziehung zu ihren Kunden immer stärker in den Fokus. "Das System unterstützt uns", sagt sie: "Wir sind transparenter und schaffen uns Zeit, mit Kunden Kontakt zu halten." Dass sich der Ansatz auszahlt, spürt sie an der Ladentheke – und an der "RWin"-Urkunde, die sie nun in den Händen hält.