Smarte Textilien gelten als Schlüsseltechnologie der Zukunft – mit Anwendungsmöglichkeiten von Arbeitsschutz über Gesundheitsüberwachung bis hin zu intelligenter Gebäudetechnik. Beim 13. Anwenderforum Smart Textiles in Stuttgart trafen sich Expertinnen und Experten aus Forschung, Normung und Wirtschaft, um neueste Entwicklungen, Potenziale und Herausforderungen zu diskutieren.

Die Zukunft der Textilindustrie ist elektronisch, smart und hochfunktional – das zeigte einmal mehr das 13. Anwenderforum Smart Textiles, das Ende März 2025 in Stuttgart stattfand. Smarte Textilien, also Kleidung mit intelligenten Eigenschaften, finden zunehmend Anwendung in Bereichen wie Arbeitsschutz, Pflege, Medizin oder Gebäudetechnik. Das Spektrum reicht von Warnjacken mit Leuchtfunktionen über beheizbare Westen bis hin zu T-Shirts, die Stürze erkennen können. Laut Prognosen soll das Marktvolumen in Deutschland bis 2030 auf rund 4,2 Milliarden Euro steigen.
Normung smarter Textilien: DIN treibt Standardisierung voran
Das Deutsche Institut für Normung (DIN) beschäftigt sich bereits seit Jahren mit dem neuen Anwendungsbereich textilbasierter Produkte und treibt die Standardisierung aktiv voran. Der DIN-Normenausschuss Textil und Textilmaschinen Fachbereich „Smarte und elektronische Textilien“ koordiniert Normprojekte zu „Festlegungen und Prüfverfahren“ und „Terminologie“ smarter Textilien.
So definiert die abgeschlossene Norm DIN CEN ISO /TR 23383 Klassifizierung, Anwendungen und Normungsbedarf smarter Textilien. Ergänzt wird diese durch die Normenreihe EN 63203, die textile Aspekte tragbarer elektronischer Geräte und Technologien behandelt. In dieser Reihe finden sich über 90 Normen und Normentwürfen zu Terminologie sowie Mess- und Prüfverfahren für leitfähigen Garnen, Leiterbahnen, Textilien und Isolationswerkstoffe. Sämtliche Vorhaben sind auf der Webseite www.dinmedia.de unter dem Suchbegriff EN 63203 abrufbar.
Waschbarkeit und Normung: Neue Standards für smarte Kleidung
Für die Textilpflege besonders relevant: die im November 2023 erschienene DIN EN IEC 63203-204-1, die Prüfverfahren zur Waschbeständigkeit smarter Textilien im nichtgewerblichen Bereich beschreibt. Geplant ist ein nationales Dokument zur Waschbeständigkeit und Waschverfahren smarter Textilien in der Industriewäsche. Zudem sollen künftig Arbeitsausschüsse für smarte Textilien und für persönliche Schutzausrüstung enger zusammenarbeiten. Dadurch könnten weitere Normen wie die DIN EN 17673 (Kleidung zum Schutz gegen Hitze und Flammen mit integrierten smarten Textilien) auf den Weg gebracht werden. Auch die Integration der DIN Spec 91418 (aktiv leuchtende Warnkleidung) in bestehende Normen wie ISO 20471 (Warnschutzkleidung) und DIN 17353 (Schutzkleidung zur erhöhten Sichtbarkeit) ist geplant – hierfür sind jedoch noch Prüfmethoden und Grenzwerte beispielsweise für eine zulässige Lichtstärke zu erarbeiten.
Innovation trifft Praxis: neue Lösungen für Industrie und Alltag
Mit der Entwicklung neuer smarter Textillösungen werden nicht nur neue Standards, sondern auch neue Prüfgeräte gebraucht. Diese Messsysteme sollen die Leitfähigkeit von stromführenden Komponenten wie Fasern, Garne, Bänder und Flächen automatisiert messen können. Das Unternehmen Textechno (Mönchengladbach) hat bereits ein Zugprüfgerät entwickelt, das Widerstandsmessungen voll automatisch vornimmt. Dieses kann unter anderem feststellen, ob sich die Leitfähigkeit des Prüflings nach einer Zugentlastung ändert oder wieder den Ausgangswert annimmt. Dadurch lässt sich die Biegefestigkeit ableiten – wichtig für smarte Bekleidung im Dauergebrauch.
Technologischer Fortschritt trifft auf regulatorische Hürden
Trotz zahlreicher innovativer Konzepte für smarte Bekleidung und Textilien scheitert die Umsetzung bislang häufig an der industriellen Fertigbarkeit. Andresys aus Salzburg scheint eine Lösung des Problems gefunden zu haben. Das Unternehmen hat ein Shirt entwickelt, das Elektrounfälle, Regungslosigkeit und Sturzunfälle erkennt und über eine App meldet oder sogar Schutzmaßnahmen wie das Abschalten von Stromquellen einleiten kann.
Die zentrale Steuereinheit des „AngelReact Shirt“ lässt sich leicht vom Ärmel abnehmen, was das Waschen bei 40 °C ermöglicht. Für den PSA-Einsatz fehlen jedoch bislang standardisierte Prüfverfahren und Zertifizierungsstellen, was eine Serienfertigung ausbremst. Außerdem erfordert die Baumusterprüfung die Verwendung gleichbleibender Komponenten, was beispielsweise einen Lieferantenwechsel oder eine Weiterentwicklung zugunsten des Nutzerkomforts verhindert.
Wann kommt der große Durchbruch?
Den intelligenten Textilien gehört die Zukunft. Das Potenzial ist zweifelsfrei vorhanden, wie verschiedene, beim Anwenderforum präsentierte Projekte offenbarten. So können Feuchtigkeitssensoren Leckagen auf Dächern ausfindig machen oder die Bewässerung in der Dachbegrünung steuern. Sensorikgarne können die Ablegereife ermitteln und form- und transparenzverändernde Verschattungstextilien für das richtige Klima im Gewächshaus sorgen. Die meisten dieser Projekte haben aber noch keine Serienreife erreicht. Deshalb stellt sich die Frage, wann der Branche wirklich der vorhergesagte Durchbruch gelingt. Dazu wird es möglicherweise weitere Anwenderforen Smart Textiles geben müssen. Im kommenden Frühjahr findet das Anwenderforum erneut statt und wird dann vom Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland (TITV) in Greiz ausgerichtet.