Waschbar? Smart Textiles: Auf Konfrontationskurs mit der Wirklichkeit

Die Zukunft der smarten Textilien wird seit Jahren hochgelobt. Doch trotz Prognosen über Milliardenumsätze bis Ende des Jahrzehnts ist die Branche noch weit von diesem Ziel entfernt, wie das 12. Anwenderforum Smart Textiles in Berlin im Februar 2024 zeigte.

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Über gestickte smarte Textilien ist inzwischen eine einfache, kabellose Messung der Herzfrequenz möglich. - © Sabine Anton-Katzenbach

Sogenannten smarten Textilien wird seit Jahren eine glänzende Zukunft voraus gesagt. Glaubt man den Vorhersagen, gibt die Menschheit bis Ende dieses Jahrzehnts bereits Milliarden US Dollar für Produkte aus, die dank integrierter Elektronik Vitalfunktionen aufzeichnen, ausgewählte Krankheitssymptome kontrollieren und behandeln. Das 12. Anwenderforum Smart Textiles bestätigte den Trend. Von den zu erwartenden gewaltigen Umsätzen ist die Branche jedoch noch meilenweit entfernt.

Die Berufskleidungsbranche hat in der jüngeren Vergangenheit mit verschiedenen Innovationen im Bereich der elektronischen (smarten) Textilien von sich Reden gemacht. Beheizbare Jacken, aktiv leuchtende Warnkleidung, Kühlwesten, Oberteile mit Standort-Ortung und Feuerwehrkombis mit Vitalparameter-Überwachung sollen in erster Linie die Sicherheit an besonders risikoreichen Arbeitsplätzen verbessern oder ein Mehr an Komfort bieten.

Smarte Textilien: Realität und Herausforderungen

Doch auch wenn solche Zusatzleistungen wünschenswert sein mögen, werden sie mit einer harten Realität konfrontiert: Einerseits sind smarte Textilien noch immer nicht in industriellem Maßstab herstellbar, andererseits sind sie nur bedingt waschbar. Dies ist einmal mehr eine Erkenntnis des Anwenderforums Smart Textiles, das in den Räumlichkeiten von Bosch Siemens Haushaltsgeräten (BSH) in Berlin stattfand.

Zwar haben sich Komponenten und Technologien, die zur Fertigung elektronischer Bekleidung genutzt werden können, weiterentwickelt, der Anschluss zwischen Elektronik und Energieversorgung (Akku) ist jedoch noch immer nicht automatisiert, was eine Massenfertigung ausschließt.

Immerhin gibt es bereits fertige "Bausätze", die von der Konfektionsindustrie direkt in die Kleidung eingearbeitet werden können. Kufner & Cinel Wearable Technologies (Lonata del Garda) bietet solche Komplettsets für die Berufskleidungsbranche an. Zum Angebot des Unternehmens gehören beispielsweise Fertiglösungen zum Heizen und Leuchten, aber auch eine Tasche für das kabellose, konduktive Laden von Smartphones oder Handfunkgeräten. Diese wurde bereits von dem italienischen Luxuslabel Ermenegildo Zegna adaptiert und wird in der näheren Zukunft auch in der Berufskleidung Einzug gehalten.

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Die kabellose Ladetasche, die von Kufner & Cinel Wearable Technologies als fertiges Set angeboten wird, soll in Zukunft auch das konduktive Aufladen von Smartphones und Handfunkgeräten in Workwear ermöglichen. - © Sabine Anton-Katzenbach

Aktive Körperkühlung

Die neueste Entwicklung des Unternehmens, für die es bereits klar definierte Anwendungsfelder gibt, ist ein tragbares Kühlsystem. "Cold Stream" ist als komplett montierte Innenweste erhältlich und soll beispielsweise Beschäftigten in der Ölförderung, Ordnungskräften in heißen Regionen oder Royal Guards vor dem Buckingham Palace Linderung verschaffen. Westen mit integrierter Kühlfunktion sind nichts Neues. Doch während die bisherigen Systeme das Prinzip der Verdunstungskälte nutzen, arbeitet „Cold Stream“ mit einem wasserdurchströmten textilen Lamellensystem.

Das Wasser wird elektronisch durch Wasserkanäle im Innenfutter der Weste gepumpt, wobei es immer wieder an Eispacks vorbeiströmt, die in eine vorderseitige, wasserdichte Tasche eingeschoben werden. Die Kühlzeit kann durch die Regulierung der Pumpenleistung in drei Stufen eingestellt werden, wobei ein Kühleffekt von mehreren Stunden erreicht werden kann. Zum Schutz der Nieren ist die Weste zusätzlich mit einer rückseitigen Schaumstoffisolationsschicht versehen, die Elektropumpe und die Powerbank sind ebenfalls auf der Rückseite in einem großen rückseitigen Fach untergebracht.

Waschbare Textilsensoren als neue Möglichkeit

Wie die Vorträge des Anwenderforums zeigten, werden elektronische Textilien bisher überwiegend für medizinische Anwendungen genutzt oder in der Sportswear-Branche zur Überwachung von Puls, Herz- und Atemfrequenz oder der Körpertemperatur eingesetzt. Dass smarte Textilien aber auch zur Entschlüsselung des Waschens dienen können, bewies der Vortrag "Waschbarer Textilsensor".

Das Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland (Greiz) hat im Auftrag von BSH einen textilen Sensor entwickelt, der dank seiner Beschaffenheit, seiner Geometrie und einer wasserdichten Einhausung einen Blick in einen realen Wäscheposten ermöglicht. Der Sensor erlaubt beispielsweise, Rückschlüsse auf das Durchströmungsverhalten der Wäsche mit Wasser zu ziehen oder soll im Laufe des Projekts Auskunft über die Wirkung eines Spülprozesses geben. Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung will BSH nutzen, um die Entwicklung von Haushaltswaschmaschinen zu optimieren.

Die Möglichkeiten dazu stehen dem Unternehmen zur Verfügung: Hochmoderne Fräsmaschinen, Metallverformungsanlagen oder 3D-Drucker erlauben die Konstruktion maßgeschneiderter Komponenten. In riesigen Waschlaboren können wiederum die Leistungsfähigkeit und die Waschwirkung überprüft und in einem eigenen schalldichten Akustiklabor der Geräuschpegel der Geräte getestet werden. Man darf daher gespannt sein, welche Erkenntnisse aus der Welt des Waschens das Projekt hervorbringt und wie sich diese auf die Maschinentechnik von BSH-Geräten auswirken werden.

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Zahlreiche Aussteller zeigen während dem Anwenderforum "Smart Textiles" ihre neuesten Entwicklungen. Der vom TITV entwickelte "Rochen", dessen Sensoren durch ein durchströmbares technisches Textil geschützt sind, wurde bereits zur Wassergütemessung in der Ostsee eingesetzt. - © Sabine Anton-Katzenbach

Bis es so weit ist, könnte jedoch noch etwas Zeit ins Land gehen: Im Gegensatz zur gewerblichen Wäsche, die von weitgehend identischen Parametern ausgehen kann, entspricht die Haushaltswäsche einem Blick in die Glaskugel: Frühere Untersuchungen des Berliner Konzerns haben gezeigt, dass es vielen Endverbrauchern egal ist, welche und wie viel Ware in der privaten Waschmaschine landet. Genau dieser Umstand sorgt für eine große Unwucht von der Konzeptionsphase bis zur Fertigstellung eines neuen, normkonformen Haushaltsgeräts.