DIN/DKE- Strategieworkshop Smarte Textilien: Waschnorm auf dem Weg?

Cleverer Kleidung, die mit elektronischen Komponenten ausgestattet ist, wird eine rosige Zukunft vorhergesagt. Um den Entwicklern solcher Textilien technische Sicherheit zu geben, unternahm das Deutsche Institut für Normung (DIN) Berlin im Mai 2017 den ersten Versuch, smarte Bekleidung und smarte Persönliche Schutzausrüstung in einen Standard zu gießen. Nun soll die Waschbarkeit von smarten und elektronischen Textilien angegangen werden. Dazu fand im Juli 2024 ein Strategieworkshop in Berlin statt.

Selbstleuchtende Warnschutzjacken und -westen des Sortiments „protection active flash“ von uvex, mit akkubetriebenen Lichtleitern ausgestattet, machen die Kleidung auch bei ungünstigsten Witterungsbedingungen unübersehbar. - © uvex

Seitdem Entwickler angefangen haben, Heizungen, Sensoren oder Licht in Kleidung einzubauen, entwickeln sich die smarten Textilien schnell weiter: Sie sollen das Leben in allen Bereichen transparenter, komfortabler und sicherer machen. So verfolgt cleverere Activewear in Form von sensorischen Shirts oder Brustgurten die Fitness beim Workout. Ski- und Motorradfahrer halten Hände und Füße in beheizbaren Handschuhen und Socken warm und Profi-Sportler nutzen Trainingskleidung mit integrierter Neurostimulation.

Einige dieser Anwendungen beschränken sich aber nicht nur auf den Sport, sondern werden auch zu medizinischen Zwecken oder in der Berufskleidung eingesetzt. Die Produktvielfalt ist hier jedoch deutlich größer. In der Medizin reicht sie von der digitalen Inkontinenzversorgung (diese misst die Sättigung eines Inkontinenzprodukts) über elektronische Pflaster zur Kontrolle
der Wundheilung bis zu Sensormatten für die Bewegungsverfolgung oder dem Atmungsmonitoring auf der Intensivstation. In der Arbeitsbekleidung sorgen beheizbare Jacken und Westen wiederum für einen warmen Oberkörper in zugiger oder kühler Umgebung. Smarte Feuerwehrkleidung überprüft hingegen mit Hilfe von Sensoren zur Messung von Hauttemperatur, Puls, Herzfrequenz und gefährlicher Gaskonzentrationen den Gesundheitszustand der Träger. Und Warnkleidung mit aktiv leuchtenden LEDs erhöhen die Sichtbarkeit von Beschäftigten in dunkler Umgebung.

Damit ist die Anwendung elektronischer Textilien aber noch längst nicht ausgeschöpft: Unter den Heimtextilien finden sich beispielsweise aktiv leuchtende Vorhangstoffe oder beheizbare Tapeten und Matratzen. Zudem beheizen smarte Komponenten Autositze oder ­beleuchten den Autohimmel.

E-Textil-Normierung kommt langsam voran

Die unterschiedlichen Neuentwicklungen führen aufgrund fehlender Leitlinien für eine Zertifizierung bei den Herstellern zu einer gewissen Verunsicherung. Zwar wurde bereits 2016 die DIN EN 16812 „Textilien und textile Erzeugnisse Elektrisch leitfähige Textilien - Bestimmung des linearen elektrischen Widerstands von Leiterbahnen“ publiziert. Aber erst im Jahr 2021 kamen weitere Normen hinzu, die sich mit der Gruppe der elektrischen Textilien beschäftigen. Dazu zählt die DIN CEN ISO/TR 23383 „Textilien und textile Produkte - Smarte (Intelligente) Textilien – Definitionen, Klassifizierung, Anwendungen und Normungsbedarf“.

Ebenfalls aus dem Jahr 2021 stammt die Technische Spezifikation DIN/TS 91418 „Aktiv leuchtende Warnkleidung in Ergänzung zu DIN EN ISO 20471 und DIN EN 17353 - Ausstattung aktiv leuchtender Warnkleidung - Prüfverfahren und Anforderungen“. Außerdem erschien die DIN EN IEC 63203-201-3 für körpernah getragene Wearables. Sie dient der Bestimmung des elektrischen Widerstandes von leitfähigen Textilien unter simuliertem Mikroklima. Zwei Jahre später wurden dann auch noch Messverfahren für die grundlegenden Eigenschaften von leitfähigen Garnen, Textilien und Isolationsmaterialien normiert. Zuletzt folgte die DIN EN IEC 63203-204-1. Sie definiert ein Prüfverfahren zur Beurteilung der Waschbeständigkeit von E-Textilerzeugnissen, die mit elektrisch leitfähigen Komponenten und Sensoren die Daten ihres Benutzers erfassen.

Eine Waschnorm soll kommen

Was nach wie vor fehlt ist jedoch ein Standard für die Aufbereitung aller anderen cleveren Produkte. Zwar wurde bereits im Mai 2017 anlässlich eines Workshops beim DIN die Notwendigkeit einer Waschnorm für smarte Bekleidung und smarte PSA angesprochen (R+WTextilservice berichtete), aber seither ist nichts passiert.

Das soll sich nun ändern. Denn bisher kann ein Hersteller Angaben zur Waschbarkeit eines E-Textils machen, ohne eine Referenz zu benennen. Der Wunsch der Anwender ist es daher, dass zukünftig die zum Testen herangezogene Norm benannt und nach dieser geprüft werden muss. Aus diesem Grund hatten das DIN und die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE) zu einem gemeinschaftlichen Strategieworkshop „Waschbarkeit von smarten und elektronischen Textilien“ eingeladen. An diesem nahmen 20 Personen teil, die in erster Linie aus Prüfinstituten, Forschungseinrichtungen und Verbänden sowie dem Bereich der Medizintextilien kamen. Außerdem waren Vertreter aus dem textilen Mietservice, der Berufs- und Schutzkleidung, der Waschmittelindustrie sowie ein Hersteller von Haushaltswaschmaschinen und -trocknern nach Berlin gekommen.

An dem Strategieworkshop „Waschbarkeit von smarten und elektronischen Textilien“ beim DIN in Berlin beteiligten sich Vertreter aus verschiedenen Bereichen der Haushalts- und industriellen Wäschepflege. - © Anton-Katzenbach

Viele Komponenten entscheiden über Pflegedetails

Bereits bei den ersten Impulsvorträgen wurde deutlich, wie vielfältig das Gebiet der elektronischen Textilien ist. Allein schon die An- und Einbringung von Leiterbahnen in ein Textil oder ein Bekleidungsteil kann die Waschbarkeit maßgeblich beeinflussen. So erfordern leitfähig beschichtete Garne und daraus hergestellte Flächen andere Waschverfahren als metallisierte, laminierte oder gedruckte. Gleiches gilt für die Verbindungstechniken, mit denen die elektronischen Komponenten und die Stromversorgung an die Leiterbahnen angeschlossen werden: sie werden in reversible und dauerhafte unterschieden. Während etwa Befestigungen mit Magneten, Crimpsteckern oder Druckknöpfen einfach getrennt werden können und dadurch die Aufbereitung vereinfachen, ist dies mit gelöteten, geklebten oder gestickten Verbindungen nicht möglich.

Damit sind allerdings noch nicht alle Kriterien berücksichtigt, die Einfluss auf die Aufbereitung cleverer Kleidung haben. So müssen Medizinprodukte desinfiziert und unter Umständen sterilisiert werden. Schutzkleidung hat wiederum einen hohen Verschmutzungsgrad und muss auch nach der Aufbereitung normative Vorgaben erfüllen. Daraus ergeben sich wieder neue Anforderungen: Anwender und Inverkehrbringer, also textile Dienstleister, müssen erkennen können, dass die Produkte nach der Pflege noch intakt und funktionsfähig sind.

Waschen, Trocknen, Prüfen

Angesichts des breiten Spektrums cleverer Textilien wurde deutlich, dass sich die Komplexität auch bei der Aufbereitung widerspiegeln muss. Die „Eine-für-alles-Norm“ kann es daher nicht geben. Sie muss wenigstens nach Haushalts- und Industriewäsche differenzieren. Zusätzlich wird es diverse Waschmittelformulierungen geben müssen, um die in einem smarten Textil verbauten „E“-Komponenten zu berücksichtigen. So haben beispielsweise Versuche an silberbeschichteten Oberflächen zu einer merklichen Ablösung von Silberpartikeln während 30 Haushaltswäschen (DIN EN 6330) geführt. Je nach Waschsubstanz ist außerdem eine Oxidation von Silber möglich, was wiederum zu einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit eines Produkts führen kann.

Aus diesem Grund sollte eine Waschnorm nach Meinung der Workshop-Teilnehmer nicht nur Anforderungen an das Waschen und Trocknen und ggf. eine eigene Pflegekennzeichnung, sondern auch vorangehende und abschließende Funktionsprüfung(en) definieren. Dazu könnten nicht nur die Kontrolle der Gesamtfunktionalität und der isolierten Teile zählen. Auch die Messung des elektrischen Widerstands bei Gleich- und Wechselstrom wurde genannt. Die ins Gespräch gebrachte Festlegung von Grenzwerten wurde wieder verworfen. Die Praxis hat bereits gezeigt, dass smarte Textilien auch funktionieren können, wenn der elektrische Widerstand eine als Minimum angesehene Untergrenze unterschreitet.

Wettbewerbsvorteile durch Mitwirkung am Normenausschuss

Der Bereich der elektronischen Textilien ist noch vergleichsweise jung, weshalb davon auszugehen ist, dass er in Zukunft immer neue Produkte hervorbringen wird. Die Definition von Standards, nach denen die Aufbereitung geprüft werden kann, ist daher wünschenswert. Sie sind allerdings noch nicht in Sicht. Vorher, so haben es die Teilnehmer des Workshops beschlossen, muss erst einmal eine Definition für den Begriff der E-Textilien festgelegt werden und eine Trennung nach Anwendungsbereichen erfolgen. Denn es macht wenig Sinn, smarte Medizintextilien, Vorhangstoffe oder Feuerwehr- und Schutzkleidung nach ein- und demselben Prozess aufzubereiten.

Es wird daher in absehbarer Zeit ein weiteres Treffen beim DIN stattfinden, bei dem die offenen Punkte diskutiert werden sollen. Mit großer Wahrscheinlichkeit bildet sich daraufhin ein Normenausschuss, der die Ausgestaltung des Standards bestimmen wird. Es ist ratsam, dass sich daran möglichst viele Unternehmen aus allen Bereichen der E-Textiles und der Textilpflege beteiligen. So stellen sie sicher, dass auch ihre Anliegen in der Normierung berücksichtigt werden. Andernfalls kann es passieren, dass ihnen ein Standard „übergestülpt“ wird, den sie möglicherweise nicht erfüllen können. Der Zugang zu bestimmten Märkten ist dann unter Umständen verbaut und die an der Normierung beteiligten Unternehmen genießen einen Wettbewerbsvorteil. Die Investition in die Mitwirkung an einem Normengremium – die Kosten belaufen sich auf etwa 1.200 Euro/Jahr (ab 2025) – kann sich daher auszahlen.

Interessierte Kreise gesucht

Ohnehin ist das DIN dem Grundsatz verpflichtet, bei der Zusammensetzung der Arbeitsausschüsse für ein angemessenes Verhältnis der interessierten Kreise zu sorgen. Diese können sich aus Anwendern, Behörden, Berufs‑, Fach‑, und Hochschulen, Handel, Handwerkswirtschaft, gesetzliche Unfallversicherungen, industriellen Herstellern, Prüfinstituten, Sachversicherern, selbstständigen Sachverständigen, Technischen Überwachern, Umweltschutzverbänden, Wissenschaft und gesellschaftspolitischen Interessensverbänden zusammensetzen. Bislang hat sich nur ein kleiner Teil der sogenannten interessierten Kreise an dem Strategieworkshop „Waschbarkeit von smarten und elektronischen Textilien“ beteiligt. Es fehlen Unfallversicherungen, Hersteller von gewerblichen Wäscherei- und Reinigungsmaschinen, professionellen Waschmitteln sowie Abwasserbehörden und Recycler, medizinisches Fachpersonal und Patientenvertreter und Hersteller aus allen Bereichen der elektronischen Textilprodukte. Bevor es in die tatsächliche Normierungsarbeit geht, sollte sich das ändern.

Helly Hansen setzt bei seiner neusten Warnkleidung auf die Wirkung von Phosphoreszenz. - © Helly Hansen

Langanhaltender Leuchteffekt ohne Strom und LED

Obwohl clevere Bekleidung die Sicherheit am Arbeitsplatz erheblich verbessern kann, ist das Angebot sehr überschaubar. Eine Handvoll Workwear-Anbieter führt Heizjacken und -westen im Programm. UVEX (Fürth) wiederum bietet mit dem Sortiment „uvex protection active flash“ selbstleuchtende Warnschutzjacken und -westen an. Diese sind mit akkubetriebenen Lichtleitern ausgestattet, so dass die Kleidung auch bei ungünstigsten Witterungsbedingungen unübersehbar ist.

Auch Helly Hansen (Oslo) hat sich vor Jahren mit aktiv leuchtenden Oberteilen beschäftigt, sich aber davon längst wieder verabschiedet. Stattdessen setzt das Unternehmen bei seiner neuesten Warnkleidung auf die Wirkung von Phosphoreszenz, um die Sichtbarkeit von Beschäftigten in der Dunkelheit zusätzlich zu verbessern. Phosphoreszenz ist u.a. von Uhrzeigern bekannt, die tagsüber Licht absorbieren, das nachts durch Nachleuchten wieder sichtbar wird. Die Warnkollektion „UC-ME“ der Norweger nutzt genau diesen Effekt. Unterhalb der Reflexstreifen hat das Unternehmen VizLite-Streifen (Viz Reflectives, Crewe, GB) appliziert, die sich bereits in Feuerwehrkleidung bewährt haben. Aufgrund des nachleuchtenden Effekts, der 8 Stunden anhalten soll, gewinnt die Schutzkleidung eine zusätzliche Sichtbarkeit, die gerade an unbeleuchteten Arbeitsplätzen wichtig ist.

„Der einzigartige Vorteil unserer hoch sichtbaren Kollektion ist ihre problemlose Pflege. Der Anwender kann sämtliche Teile der UC-ME-Kollektion in die Waschmaschine oder den Trockner stecken, bei 40 °C waschen und mit niedriger Temperatur trocknen. Da die Streifen ihre Leuchtenergie nur aus Sonnenlicht beziehen, können wir auf Akkus, Leiterbahnen, Verbindungen und LEDs verzichten“, erklärt Johannes Eckhardt, Area Sales Manager bei Helly Hansen. „Dadurch haben wir ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten und die Herstellung jedes Kleidungsteils ist skalierbar. Vor allem aber kann der Anwender den nachleuchtenden Effekt nach der Wäsche ganz einfach selbst prüfen. Damit haben wir die vielen Herausforderungen umgangen, die E-Kleidung mit sich bringt.“