Im Gespräch mit Andrea Kuttner "Wir sind keine verstaubten Wäscheküchen"

Andrea Kuttner leitet seit 2002 eine Textilreinigung mit zwölf Mitarbeiterinnen und ist mittlerweile seit zwei Jahren Bundesinnungsmeisterin. Wir sprachen mit ihr über Herausforderungen und Branchenprobleme, über notwendiges Vernetzen und Netzwerken sowie über sich ändernde Märkte und Kundenbedürfnisse.

Bundesinnungsmeisterin Andrea Kuttner im Gespräch mit RWT-Chefredakteur Peter Schmid.
Bundesinnungsmeisterin Andrea Kuttner im Gespräch mit RWT-Chefredakteur Peter Schmid. - © RWT
Frau Kuttner, am 11. Mai 2022 wurden Sie einstimmig zur Bundesinnungsmeisterin gewählt. Fast genau zwei Amtsjahre liegen hinter Ihnen. Bereits vor 22 Jahren besuchten Sie die ersten Innungssitzungen der Textilreiniger Niederösterreich. 2020 waren Sie stellvertretende NÖ-Landesinnungsmeisterin. Berufsgruppenarbeit war Ihnen somit nicht neu. Was waren denn die größten Herausforderungen der letzten zwei Jahre?

Andrea Kuttner: Stimmt, Berufsgruppenarbeit war mir nicht neu, dennoch ist es eine ganz andere Liga im Bund zu arbeiten. Dazu kamen ein paar Generationswechsel in den Ländern und schon hat man ein neues Team, welches erst am Zusammenwachsen ist.

Herausfordernd war sicherlich die Energiekrise. Hier haben wir es geschafft, eine unterjährige Verhandlung mit der Schiedskommission zu bekommen um die Preise für den öffentlichen Dienst zumindest etwas anpassen zu dürfen.

Was ist denn im Moment das wirklich dringlichste Problem der Branche?

Wie überall: der Personal- und Fachkräftemangel. Um dem entgegenzuwirken, setzen wir verstärkt auf Weiterbildung und Kompetenzvermittlung. Wir haben uns mit einigen Trainern zusammengetan und Kurse zu den Themen "Kommunikation am Ladentisch", "Detachur" und "Bügelei" auf die Beine gestellt. Auch ist es möglich an die jeweiligen Trainerinnen heranzutreten und ein individuelles Seminar zu kreieren.

Sehr zu empfehlen sind ja auch die Kurse von EFIT, wo wir von unserer geschätzten Maria Bischoff mit soviel Herz und Engagement für die Branche unterstützt werden.

Ausgesprochen interessant auch, wenn man dazwischen wieder einmal einen Vorbereitungskurs zur Meisterprüfung besuchen würde. Egal ob man die Prüfung schon hat oder eigentlich gar nicht machen möchte. Lernen wird man in jedem Fall etwas dabei. Man kann auch nur den Theorie- oder nur den Praxiskurs besuchen. Förderungen gibt es dafür über das AMS. Dies ist allerdings von Bundesland zu Bundesland verschieden. Man kann die Lehrgänge alleine als Betrieb beantragen oder mit mindestens drei Betrieben einen sogenannten Qualifizierungsverbund gründen und diese Kurse kostenlos von einer Beratungsfirma koordinieren lassen. Man muss die Kurse nur buchen.

Kuno Grassner, Ihr überraschend verstorbener Vorgänger im Amt, galt als talentierter Netzwerker. Ich habe das Gefühl, dass das Vernetzen mit Branchenkollegen und branchenübergreifenden Gewerken auch Ihr großes Steckenpferd ist…

Ja, das Treffen von Branchenkollegen macht mir große Freude. Manchmal hört man einfach zu, manchmal kann man unterstützen, aber grundsätzlich lernt man dabei.

Was machen eigentlich Ihre geplanten Besuche aller Mitgliedsbetriebe? Sie sind ja ordentlich unterwegs…

Derzeit haben wir Hochsaison, da bin selbst ich nicht unterwegs. Gerade jetzt haben wir zum Glück alle Hände voll zu tun. Da würden Besuche bloß stören.

Wie lässt sich eigentlich diese enorme Ehrenamtsarbeit mit der Leitung eines Betriebes vereinbaren?

Manchmal schwierig. Aber mit gutem Personal, die mich dabei im Betrieb vertreten, geht das.

Sie geben mir das Stichwort. Können Sie uns bitte die Struktur Ihres Betriebes, den Sie 2002 von Ihren Eltern übernommen haben, kurz skizzieren?

Sehr gerne! Ich leite meinen Betrieb alleine und hab zwölf Mitarbeiterinnen, die tatkräftig hinter dem Betrieb stehen und mit anpacken. Nur alles Administrative und der Bürokram gehört mir ganz alleine.

Der Betrieb besteht aus einer Zentrale und zwei Filialen, die täglich beliefert werden. Wenn es irgend geht, fahre ich selber um mit meinen Mitarbeiterinnen im Kontakt zu bleiben. Leider will es der Alltag oft, dass ich mit den Filialen mehr kommuniziere als mit der Zentrale, obwohl ich dort die meiste Zeit verbringe. Aber es liegt an mir dies zu ändern.

Zurück zur Gesamtbranche. Spricht man über das "Kernproblem Fachkräftemangel" wird häufig formuliert, dass Mitarbeiter immer nach einem sinnstiftenden Beruf suchen, der etwas für künftige Generationen tut. Genau dies macht doch eigentlich der Textildienstleister…

Richtig! Schließlich sind wir, meiner Meinung nach eines der ältesten Recyclinggewerbe überhaupt. Gesundheit durch Hygiene und Sauberkeit, fast so alt wie die Gesunderhaltung der Menschheit. Aus schmutzig und alt mach sauber, frisch und fast wie neu, war doch schon immer unser täglich Brot. So selbstverständlich, dass wir es oft selber nicht mehr erkennen.

Neue Fachkräfte gewinnen ist die eine Seite, doch was sollte ein Betrieb machen, um Mitarbeiter erstmal zu halten?

Ich glaube über Fairness, Empathie und ein gesundes Miteinander brauchen wir nicht zu diskutieren. Aber warum unbedingt halten? Entweder man schafft es ein derart angenehmes Arbeitsklima für beide Seiten zu erschaffen, dass die Mitarbeiterinnen gerne bleiben und gerne ihr Handwerk verrichten, oder es muss Bewegung rein. Neue Köpfe und Hände können auch neue Ideen bringen. Was auch nicht immer heißt, dass jemand gehen muss oder soll. Manchmal bringt der Zufall eine neue Kraft und plötzlich bewegt sich der Betrieb in eine ganz andere, möglicherweise viel angenehmere Richtung weiter. Und wird von sich aus beweglicher, kreativer, leichter und dynamischer.

Muss man die Wäschereibranche als zukunftsweisenden Arbeitsplatz nicht viel bekannter und beliebter machen? Ist dies nicht gar ein Imageproblem einer gesamten Branche?

Unbedingt! Wir haben auch begonnen enger mit der Gütezeichengemeinschaft der Wäscher zusammenzuarbeiten. Haben Sie unsere Branchen-Reels (auf Social Media) gesehen, die wir auf die Wäschereien ausgerichtet haben? Ich denke hier zeigen wir anschaulich, dass unsere Betriebe sehr wohl digital sind und mehr zu bieten haben als "nur" das Waschen von Wäsche.

Märkte und Kundenbedürfnisse sind in ständiger Bewegung und Veränderung. Wie muss die Branche darauf reagieren?

Ich denke, so flexibel wie unsere Branche ist, reagieren wir stets darauf. Wir reagieren auf jedes Bedürfnis der saisonalen Modetrends. Was ja unterm Strich das Bedürfnis unserer Kunden ist. Wir sind keine verstaubten Waschküchen. Wir sind ständig in Bewegung. Das sollten wir uns selbst bewusst vor Augen halten.

Jede Saison birgt neue Herausforderungen, die wir meistern dürfen. Da spreche ich jetzt nicht von den administrativen Herausforderungen, die manchmal ziemlich fordernd sein können. Aber auch bei diesen Herausforderungen kann es helfen, wenn man sich mit der Kollegenschaft vernetzt, ein bisschen enger zusammenrückt. Und so, im Gespräch, ist die eine oder andere Hürde im Informationsaustausch plötzlich nicht mehr so hoch.

Der Textilservice ist dabei eine Kreislaufwirtschaft mit großer Historie und für andere Branchen gar ein Vorzeigemodell. Stichwort: Ressourcenschonung, Restaurierung, Recycling von Textilien. Muss die Branche nicht auch hier ihre so oft bewiesene Flexibilität und Leistungsvielfalt noch viel lauter kommunizieren?

Unbedingt! Ich denke, dass diese Faktoren für uns allzu selbstverständlich geworden sind, eben weil sie unser täglich Brot sind. Genau deshalb erkennen wir sie oft nicht in ihrer Bedeutsamkeit und Wirkung. Das sollte uns mehr bewusst werden! Wenn es uns bewusst ist, können wir es auch nach außen transportieren.

Ein traditionsreicher Begriff in Österreich ist die Bezeichnung "Putzerei". Auch Ihr Unternehmen trägt diese Begrifflichkeit im Namen. Dabei gibt es durchaus auch Stimmen, die sich von dieser Bezeichnung trennen wollen.

Nein, mein Betrieb ist eine Textilreinigung. "Putzerei" habe ich für die E-Mail-Adresse gewählt, weil es kürzer ist als "Textilreinigung". Bedenken Sie, aus "Putzerei" lässt sich "pure Zeit" zaubern. Pure Zeit ist also das Anagramm für Putzerei. Das ist doch großartig! Finden Sie nicht?