Textile Laundry Sustainability TEXSUS: Der „Nachhaltigkeitsbaukasten“

Das Projekt TEXSUS (Textile Laundry Sustainability) will neue Maßstäbe in der Förderung der Nachhaltigkeit innerhalb der Wäscherei- und Textilreinigungsbranche setzen. R+WTextilservice sprach mit den Schlüsselpartnern des Projektes (DTV, Hochschule Landshut und INTRASYS Beratungsgesellschaft für Unternehmensorganisation). Gefördert wir das Projekt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).

Dr. Heidi Herzogenrath-­Amelung (wissenschaft­liche Mitarbeiterin TEXSUS Projekte bei der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Landshut) und Klaus Eder (Geschäftsführer INTRASYS). - © DTV/Intrasys
Allein in Deutschland umfasst die ­Wäscherei- und Textilreinigungsbranche etwa 3.600 Unternehmen, generiert dabei einen Umsatz von 4,5 Milliarden Euro/Jahr und beschäftigt rund 100.000 Menschen. Als eine der energieintensivsten Branchen erscheint Nachhaltigkeit als besonders groß und selbstverständlich.

Daniel Dalkowski: Als Kreislaufwirtschaftsbranche ist der Textilservice vielen anderen Wirtschaftssektoren bereits viele Jahre voraus. Gleichzeitig gibt es eine intrinsische Motivation der Unternehmen, Ressourcen einzusparen. Sei es bei Energie- oder Wasserverbrauch oder auch bei der Beschaffung von Textilien. Alles ist auf eine Minimierung des Verbrauches/Neukaufs hin ausgerichtet. Bei dem Projekt geht es nicht so sehr darum, neue Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu entwickeln. Was der Branche – zumindest im Mittelstand – häufig fehlt, sind belastbare Dokumentationen und Nachweise der eigenen Nachhaltigkeit. Diese wird von Kunden und Politik jedoch zunehmend eingefordert.

Was verbirgt sich eigentlich hinter dem TEXSUS-Projekt?

Dr. Heidi Herzogenrath-Amelung: Die Idee für das Projekt kam aus der Erkenntnis, dass viele Betriebe in der Branche sich wachsenden Anforderungen an nachhaltige Geschäftspraktiken und Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgesetzt sehen – aber woran es noch fehlt, sind einheitliche Ansätze, diese Praktiken zu systematisieren und darüber standardkonform zu berichten. Vor allem kleinere Unternehmen sehen sich hier oftmals noch überfordert. Hier setzen wir mit TEXSUS an – wir wollen Betrieben helfen, eine langfristige Nachhaltigkeitsstrategie zu etablieren, die sich auf systematische Praktiken und standardkonforme Berichterstattung stützt. Dazu entwickeln wir einen umfassenden „Nachhaltigkeitsbaukasten“, der Werkzeuge in den Bereichen Energie, Wasser, Chemie und Textilien bereitstellt. Die einzelnen Leitfäden und Tools, die in Arbeit sind, sehen Sie in der Grafik dargestellt.

© DTV/Intrasys

Ein Ziel des Baukastens ist es zum Beispiel, die Umweltbilanz der Betriebe zu verbessern, z. B. durch Reduzierung des Wasserverbrauchs und die Senkung des Chemikalieneinsatzes.

Klaus Eder: Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit Experten aus Industrie und Wissenschaft umgesetzt und baut auf bestehenden Zertifizierungssystemen auf. Maßgeblich für unsere Arbeitsweise ist die kontinuierliche Verbesserung der entwickelten Werkzeuge. Das Projekt läuft über 24 Monate, in denen die Werkzeuge zunächst in ausgewählten Pilotbetrieben erprobt und anschließend branchenweit eingeführt werden sollen. Das Feedback aus den Pilotbetrieben hilft uns, die Tools ständig weiterzuentwickeln damit wir auch auf zukünftige Herausforderungen und Entwicklungen eingehen können. Unser Ziel ist, den Einsatz der Tools für Unternehmen so einfach und praxisnah wie möglich zu gestalten, damit nachhaltige Praktiken langfristig und effektiv etabliert werden können.

Dr. Heidi Herzogenrath-Amelung: ­TEXSUS markiert damit einen entscheidenden Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft für die Wäscherei- und Textilreinigungsbranche und kann hoffentlich auch als Modell für andere Branchen und Regionen dienen, indem wir zeigen, wie durch innovative Ansätze signifikante Fortschritte in der Nachhaltigkeit erreicht werden können.

Wie kam es eigentlich zu der auf den ­ersten Blick ungewöhnlichen Zusammen­arbeit von Industrie, Wissenschaft und Verbänden?

Klaus Eder: Das Thema Nachhaltigkeit ist zu komplex, um nur aus einem Blickwinkel betrachtet zu werden. Die Ein­bindung der Wissenschaft ermöglicht es uns ein methodisches Vorgehen zu entwickeln, das auf dem aktuellen Stand der Forschung basiert und so aus den einzelnen Nachhaltigkeitsthemen, wie z. B. der Lieferkette, CO2-Bilanzierung usw. ein Managementsystem zu entwickeln. Die „Marktorientierung“ erhält das Projekt durch die Einbindung der Verbände und der Wäschereien und Reinigungen.

TEXSUS: Textile Laundry Sustabinability. - © Intrasys / DTV
Die Initialzündung kam dabei von…

Dr. Heidi Herzogenrath-Amelung: … der Verbandszertifizierung des DTV. Im Rahmen mehrerer Jahrestreffen der Gruppe, die sich aus Unternehmen zusammensetzt, die das DTV-Managementsystem (QM, UM, Arbeitssicherheit, Hygiene usw.) umsetzen, wurde beschlossen ein Nachhaltigkeitsmanagementsystem zu entwickeln, welches die Anforderungen der Branche gut und effizient abbilden kann.

Was ist denn dabei der zentrale Aspekt des Projektes?

Daniel Dalkowski: Es geht vor allem um praktikable Hilfestellungen für die zunehmenden Dokumentationsanforderungen der eigenen Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Zahlreiche deutsche und internationale Regularien fordern den Unternehmen immer mehr ab. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sind jedoch ohnehin mit sehr viel Bürokratieaufwand belastet. Wir können diese Last leider nicht nehmen, aber wir können Hilfestellungen bieten, den ­Aufwand zu minimieren und mit den vorhandenen Ressourcen bewältigbar zu machen.

Sie sprechen gar von einem Meilenstein für Nachhaltigkeit. Große Worte…

Klaus Eder: Derzeit existiert noch kein zertifizierbares Managementsystem für Nachhaltigkeit. In den zwei Jahren Projektlaufzeit sollen die Grundlagen für eine nachhaltigere Branche gelegt werden. Ob und in welchem Umfang unsere Vorschläge in Form von Leitfäden und Werkzeugen durch die Branche umgesetzt werden, hängt von jedem Unternehmen ab. Des Weiteren soll auch die Flut von Fragebögen oder Nachhaltigkeitsplattformen, die von den Wäschereien „gefüttert“ werden müssen, eingedämmt werden. Wir wollen durch TEXSUS dazu beitragen, dass ein Zertifikat für Nachhaltigkeit in der Wäscherei- und Reinigungsbranche etabliert werden kann.

Wie lassen sich denn nachhaltige Praktiken langfristig und dauerhaft etablieren?

Dr. Heidi Herzogenrath-Amelung: Der systematische Ansatz eines Managementsystems ist hier der wohl wichtigste Aspekt. Die Betriebe der Verbandszertifizierung durchlaufen mit ihren Managementsystemen immer wieder den PLAN-DO-CHECK-ACT-Zyklus und versuchen sich stetig zu verbessern. Gegenwärtig wird die Hygiene, die Umweltleistung und die Qualität angepasst - zukünftig soll auch die Nachhaltigkeit der Unternehmen verbessert werden.

Daniel Dalkowski, Stellvertr. Geschäftsführer Deutscher Textilreinigungsverband (DTV): „Als Kreislaufwirtschaftsbranche ist der Textilservice vielen anderen Wirtschaftssektoren bereits viele Jahre voraus.“ - © DTV
Welche Rolle spielen im Rahmen einer  partnerschaftlichen Zusammenarbeit bereits etablierte Strukturen wie z. B. die DTV-Verbandszertifizierungen?

Daniel Dalkowski: Bestehende Netzwerke und Austauschformate sind hilfreich, die zunächst am Schreibtisch erarbeiteten Lösungsansätze und Hilfestellungen einem Realitätscheck zu unterziehen. Gleichzeitig wissen wir durch die langjährige Zusammenarbeit im Rahmen der Verbandszertifizierung sehr genau, welche Maßnahmen die Betriebe bereits um­setzen und welche Kennzahlen beispielsweise bereits erfasst werden und daher ohne großen Aufwand auch in einer Nachhaltigkeitsberichterstattung verwendet werden können.

Qualität, Arbeitssicherheit, Hygiene ergänzt durch den Aspekt der Nachhaltigkeit? Klingt logisch, aber auch theoretisch.

Klaus Eder: Die Unternehmen sehen sich heute vielfältigen Anforderungen ausgesetzt hinsichtlich Umweltleistung, Qualität, Arbeitssicherheit, Hygiene usw… Ein einziges Managementsystem wird nicht ausreichen, die Anforderungen ausreichend zu erfüllen. Hier ist die Integration von Managementsystemen gefragt, also die Verbindung von Qualität, Umwelt und Sozialem. Diese Herausforderung wurde seit Jahren durch den DTV und die INTRASYS im DTV-Managementsystem umgesetzt. TEXSUS wird noch viele weitere Anforderungen in die Managementsysteme integrieren und stellt somit einen großen Entwicklungsschritt für die Branche dar.

Wie sollen denn KMUs mit diesem Projekt-Gedanken umgehen und spielen?

Dr. Heidi Herzogenrath-Amelung: Vor allem für KMUs können Anforderungen an die Berichterstattung zu Umwelt­informationen und Menschenrechten, wie es z. B. das Lieferkettengesetz verlangt, schnell überfordernd wirken. Eines der Ziele von TEXSUS ist es, KMUs, die sich noch ganz in den Anfängen einer Nachhaltigkeitsstrategie und des ­nachhaltigen Lieferkettenmanagements ­stehen, mit praktischen Hilfsmitteln zu unterstützen.

Angelegt ist das Projekt mit einer Laufzeit von 24 Monaten. Kann das überhaupt ­reichen, um grundlegende Änderungen zu strukturieren und vor allem für die ­Zukunft zu zementieren?

Daniel Dalkowski: Nachhaltiges Wirtschaften und die (leider) dazugehörende Dokumentation sind sicherlich ein dauerhafter Entwicklungsprozess. Die 24 Monate sind dazu gedacht, Grundlagen zu schaffen. Das fängt beispielsweise schon beim Vokabular an. Zahlreiche Gesetze verklausulieren die Prozesse und Dokumentationsanforderungen. Begrifflichkeiten wie eine „doppelte Wesentlichkeitsanalyse“ werden den wenigsten etwas sagen. Eines der Projektziele ist es, solche „Sprachbarrieren“ abzubauen. Ergänzend geht es darum, Standards zu schaffen. Beispielsweise bei der Definition eines branchenbezogenen CO2-Fußabdruckes. Da gibt es viele unterschiedliche Definitionen und Umfänge, insbesondere wenn die Lieferkette miterfasst wird. Hier wollen wir künftig vermeiden, dass jedes Unternehmen mit einer eigenen Systematik an dieses Thema herangeht.

Als erstes Ergebnis steht bereits der Leitfaden „Schritt für Schritt zur nachhaltigen Lieferkette“ zur Verfügung. Was verbirgt sich hinter diesem Leitfaden? Wie hilfreich ist dieser?

Dr. Heidi Herzogenrath-Amelung: Dieser Leitfaden ist vor dem Hintergrund des „Lieferkettengesetzes“ entstanden. Er soll einerseits den gesetzlich zur Einhaltung verpflichteten Unternehmen helfen, sich einen Überblick zu den Dokumentationsanforderungen zu verschaffen. Der weitaus größere Teil der Branchenunternehmen ist jedoch gar nicht unmittelbar vom Gesetz betroffen. Dennoch können auch diese Unternehmen mit Fragen zur Nachhaltigkeit ihrer Lieferkette konfrontiert werden. Der Leitfaden und dazugehörige Checklisten helfen dabei, die Lieferkette hinsichtlich Arbeitsbedingungen oder Umweltver­stößen zu untersuchen. Die ersten Probeläufe haben gezeigt, dass hier noch viel Arbeit hinsichtlich der Transparenz der Lieferketten geleistet werden muss.

Durch das TEXSUS-Projekt soll auch für kleinere und mittlere Unternehmen ein anwendbarer Nachhaltigkeits-­Baukasten entstehen. Wie können Betriebe sich in diesen Baukasten einbringen? Gibt es schon Erfahrungen von Testbetrieben?

Klaus Eder: Zunächst können die Betriebe ihren Bedarf formulieren – welche Themen der Nachhaltigkeit sind besonders problematisch in der Umsetzung? Zu Beginn des Projekts wurde eine Umfrage zur Anforderungsanalyse durchgeführt. Dabei hatten die Betriebe die Möglichkeit, Angaben zur aktuellen Ist-Situation zu machen. Dabei zeigte sich deutlich, dass insbesondere das Energiemanagement, die CO₂-Analyse und das Benchmark-Tool für die Unternehmen von großer Bedeutung sind. Diese Anforderungen werden selbstverständlich in die Entwicklung des Nachhaltigkeitsbaukastens einfließen.

Im Rahmen der Erstellung der Werkzeuge und Tools für den Nachhaltigkeitsbaukasten können die Betriebe die Entwürfe testen und an die Projektgruppe Feedback zur Verbesserung geben. Dazu ist natürlich jede Rückmeldung aus dem Markt hilfreich. Gerne können sich interessierte Betriebe melden. Diese erhalten dann die Leitfäden schon vor der Veröffentlichung mit der Bitte um Feedback, welches wieder in die Leitfäden einfließt.

Auch nach der Veröffentlichung sind wir am Austausch mit der Praxis interessiert. Die Leitfäden sind so konzipiert, dass im Rahmen der Projektlaufzeit von zwei Jahren noch immer Anpassungen vorgenommen werden können und wir beispielsweise die aktuelle Gesetzgebung berücksichtigen können.

Durch viele Branchen geistert oft der ­negative Begriff des „Green Washing“. Sich ein Mäntelchen umhängen, das in keiner Form der Realität entspricht, macht wenig Sinn. Wie lässt sich grundsätzlich die ­notwendige und systematische Nach­haltigkeit schaffen?

Dr. Heidi Herzogenrath-Amelung: Nach­haltigkeit bedeutet auch wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Green Washing ist dagegen ein teures Mäntelchen, welches sich nur kurzfristig „rechnet“. Mit dem TEXSUS-Baukasten soll den Unternehmen ein niedrigschwelliger Eintritt in die Welt der Nachhaltigkeitsdokumentation gegeben werden und auch die oftmals damit verbundenen Ängste genommen werden. Nachhaltigkeit ist nichts Negatives, sondern zählt zur DNA der Wäscherei- und Reinigungsbranche. Gemeinsam mit den Lieferanten und Beschäftigten eine nachhaltige Dienstleistung zu erbringen, die den Energie- und Wassereinsatz optimiert.

Aktuelle Studien zeigen, dass Greenwashing von Kunden zwar verurteilt wird und sich negativ auf die Unternehmensreputation auswirkt, jedoch können viele Kunden aufgrund fehlenden Wissens Green Washing von tatsächlichen Nachhaltigkeitsmaßnahmen nur schwer unterscheiden. Dies wird sich in den kommenden Jahren jedoch ändern, da das Wissen der Kunden hinsichtlich Nachhaltigkeit und den damit verbundenen Zertifizierungen und Siegeln immer ­umfassender wird.

Das Wort „gemeinsam“ scheint auch hier von elementarer Bedeutung.

Klaus Eder: So wie das Projekt von sehr unterschiedlichen Organisationen getragen wird, so ist die Mitarbeit von unterschiedlichen Unternehmen am Projekt auch unabdingbar, um ein effizientes und umsetzbares Nachhaltigkeitsmanagementsystem entwickeln zu können.

Wo sehen Sie das TEXSUS-Projekt nach Ende der Laufzeit, wo den angestrebten Baukasten der Nachhaltigkeit in 10 Jahren?

Daniel Dalkowski: Am Ende der Laufzeit von TEXSUS soll es den Unternehmen leichter fallen, die an sie gestellten Anforderungen umzusetzen. Die Leitfäden und Werkzeuge sollten fortgeschrieben werden und auch im kommenden Jahrzehnt den Unternehmen dienen. Ein großer Wunsch wäre es, ein zertifizierbares Managementsystem, welches durch die ISO entwickelt wurde, vorzufinden, welches die gleichen Anforderungen enthält, wie sie in TEXSUS entwickelt wurden.

Wenn Sie vor dem Hintergrund des Projektes einen Wunsch an die Wäscherei- und Textilreinigungsbranche hätten, dann wäre dies?

Dr. Heidi Herzogenrath-Amelung: Die Betriebe haben bisher schon großes ­­Interesse an dem Projekt und Kooperationsbereitschaft gezeigt – wir wünschen uns natürlich, dass dies so weitergeht, denn Fragen, Problematiken und Case Studies, die an uns herangetragen werden, helfen uns, den Nachhaltigkeitsbaukasten so genau wie möglich auf die Anforderungen dieser Branche auszurichten.

Weitere Infos online

Aktuelle Informationen rund um TEXSUS gibt es unter www.dtv-deutschland.org/texsus.

Mehr zu Intrasys ist unter www.intrasys-gmbh.de zu finden.