Forschung trifft Praxis RE³Tex: Wie Textilien länger im Kreislauf bleiben

Strukturelle Veränderungen in der Bekleidungsindustrie anzustoßen – dieses Ziel hat sich das Forschungsteam am Center Textillogistik im Projekt "RE³Tex" gesetzt und am Beispiel von Outdoorbekleidung untersucht. Der Fokus liegt im Projekt auf drei Aspekten: Repair – Reuse – Recycle. Die Erkenntnisse bündeln sich nun in einem multimedialen Handbuch. Welche Rolle die Erkenntnisse aus Theorie und Praxis für die professionelle Textilpflege spielen.

Frau flickt eine verschlissene Jeans.
Reparieren Verbraucher kaputte Bekleidung? Diese Fragen stellte das Projekt RE³Tex in einer Umfrage. - © Tatyana – stock.adobe.com

Welche Möglichkeiten gibt es, Textilien aufzubereiten? Welche Anlaufstellen gibt es und was müsste sich ändern, damit der textile Kreislauf wirklich rund läuft? Genau diesen Fragen widmet sich das Projekt RE³Tex, im Rahmen dessen ein multimediales Handbuch zur textilen Aufbereitung und Verwertung entwickelt wurde. Es ist allerdings kein Ratgeber, wie Textilien richtig gepflegt werden, vielmehr gibt es Antworten bzw. Anregungen, wie die Reparatur- und Recyclingfähigkeit von Bekleidung erhöht werden kann. Das veranschaulichen Bild- und Videobeiträge im Handbuch praxisnah.

Wen spricht RE³Tex an?

Das Handbuch richtet sich insbesondere an Bekleidungshersteller, Händler und Verbraucher. Es spricht aber auch weitere Stakeholder der textilen Wertschöpfungskette an, wie Sammler, Sortierer und Textilrecycler.

Das Handbuch informiert grundlegend zur textilen Kreislaufführung, enthält eine Marktübersicht zu den existierenden Rücknahmesystemen und berücksichtigt die Sichtweise der Konsumenten. Das Projekt veranschaulicht damit, welche Partner am textilen Kreislauf beteiligt sind. Das soll das Verständnis der Beteiligten füreinander fördern.

So kommt Textilpflege im RE³Tex-Handbuch vor

Die Umfrage von RE³Tex zeigt, welche Aufbereitungsverfahren Konsumenten nutzen.
Die Umfrage von RE³Tex zeigt, welche Aufbereitungsverfahren Konsumenten nutzen. - © RE³Tex

Auch die professionelle Textilpflege spielt in dem Werk eine Rolle. Leicht verständlich, aber fachlich versiert nennt das Handbuch textile Aufbereitungsmethoden. Unter anderem stellt es Schimmelbeseitigung, chemische Reinigung und Detachur vor. "Detachur (...) kann als Werterhaltung der Textilien angesehen werden" und kann "die Lebensphase hartnäckig verschmutzter Textilien verlängern". Zunächst muss laut dem Handbuch der Fleck identifiziert werden. Faserstoff, Art der Garne sowie die Farbe des Textilgutes spielen dabei eine wichtige Rolle. Für Textilreiniger sind diese Erkenntnisse natürlich nichts Neues, ebenso wenig das Fachbuch "Fachwissen Professionelle Textilpflege", aus dem die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zitieren – für interessierte oder unsichere Kunden jedoch könnte das Handbuch die Vorzüge der professionellen Textilpflege unter Umständen untermauern.

Exkurs:
RE³Tex veröffentlicht im Juni einen Leitfaden zur Rückführung von Textilien

Neben dem Handbuch veröffentlicht das Projekt RE³Tex über die Website des Center Textillogistik im Juni 2024 einen Leitfaden zur Rückführung von Textilien zur Reparatur und Verwertung.

An wen richtet sich der Leitfaden?

Der RE³Tex-Leitfaden soll allen Marktteilnehmern aus der Textil- und Bekleidungsindustrie eine Orientierung bei der Implementierung eines Rücknahmesystems bieten, um den Lebenszyklus von Bekleidung zu verlängern.

Was thematisiert der Leitfaden?

Er enthält neben einführenden Hintergrundinformation eine konkrete Anleitung zum Aufbau eines Systems zur Rückführung von Textilien zur Reparatur und Verwertung. Diese schließt insbesondere unternehmensinterne Maßnahmen mit ein, die nötig sind, damit eine textile Reparatur und Aufbereitung sowie ein mechanisches Recycling erfolgreich durchgeführt werden können. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das Businessmodell als kostendeckendes und tragfähiges Beispiel von Unternehmen zur Umsetzung der textilen Kreislaufführung in der eigenen Praxis genutzt werden kann.

Textilien richtig pflegen – und reparieren

Mit der Pflege nehmen die Wissenschaftler die textile Reparatur unter die Lupe. Ihre Ergebnisse: Ein hoher Verschmutzungsgrad, eine Vielfalt an Farbstoffen, Accessoires, mangelhafte Kennzeichnung und Materialmischungen erschweren die Aufbereitung und Reparatur. Eine kleinere Produkt- und Farbpalette sowie gleichbleibende Accessoires oder stetig verfügbare Ersatzteile könnten hingegen das Aufbereiten erleichtern.

Die eingesetzten Fasern, Farben, Garn- und Flächenstrukturen sowie chemische Ausrüstungen der Textilien beeinflussen wiederum deren Verwertungspotenzial. Bekleidungsstücke aus Monomaterialien, die tendenziell eine offene Bindungskonstruktion in Garn und Fläche aufweisen, lassen sich leichter recyceln. Ein hoher Anteil an Kurzfasern, Verbundmaterialien (z.B. Laminate), aber auch sehr dichte und glatte Gewebestrukturen erschweren hingegen die Rückgewinnung von qualitativ hochwertigen Fasern beim mechanischen Recycling.

Zwischenfazit: Reparatur- und Recycling bei der Produktentwicklung beachten

Mit den bereits genannten Erkenntnissen ziehen die Wissenschaftler folgendes Fazit: "Es ist unabdingbar, die Reparatur- und Recyclingfähigkeit von Beginn an zu berücksichtigen und bereits bei der Produktentwicklung anzusetzen." Eine strukturelle Sammlung und Aufbereitung von Daten, beispielsweise zu häufig auftretenden Mängeln bei der Reparatur, könnte es Unternehmen ermöglichen, Produktdesigns anzupassen. Das Handbuch gibt dazu ein praktisches Beispiel eines Outdoor-Bekleidungsherstellers: "Wir haben einen Reparaturindex entwickelt." Jedes Produkt durchlaufe Fragen wie:

  • Wie reparierbar ist mein Produkt?
  • Wie aufwendig ist das?
  • Wer kann das machen?
  • Brauche ich Ersatzteile?
  • Brauche ich Werkzeuge?

Anschließend bewertet der Hersteller die Hauptmerkmale des Produkts hinsichtlich ihrer Reparaturfähigkeit und ermittelt anhand einer Skala, an welcher Stelle Verbesserungen möglich sind.

RE³Tex befragt Verbraucher: Das können Textilpfleger daraus lernen

Damit Textilien im Kreislauf bleiben, spielen Konsumenten eine erhebliche Rolle. Eben wenn es darum geht, Textilien zu reparieren, aufzubereiten oder zu recyceln. Die Ergebnisse der Umfrage sind besonders für Textilreiniger interessant, denn Re³Tex befragte Verbraucher nicht nur, welche Dienstleistungen sie angenommen haben, sondern auch nach den Gründen, was sie davon abhielt.

64 Prozent gaben an, Reparatur- oder Aufbereitungsangebote in Anspruch genommen zu haben. Dabei wandten sie sich an kleine lokale Schneidereien und Textilreinigungen oder an die jeweiligen Outdoor-Bekleidungshersteller. Am häufigsten ließen die Befragten Reißverschlüsse oder Ersatzteile einsetzen. Das chemische Reinigen der Textilien kam an zweiter Stelle. Lederaufbereitung, Imprägnieren oder Näharbeiten nutzten die Befragten weniger häufig.

Kennen Kunden die Angebote überhaupt?

Gründe, weshalb Verbraucher Aufbereitungsangebote nicht nutzen.
Reparaturservices bieten einige Textilreinigungen an – aber wissen das die Kunden? - © RE³Tex

Als Gründe, weshalb die oben genannten Dienstleistungen nicht (häufiger) genutzt werden, gaben die Befragten das mangelnde Angebot sowie den damit verbundenen Aufwand an. Die Autoren des Handbuchs kommen deshalb zu dem Schluss, dass derartige Services bei den Verbrauchern Anklang finden könnte, eine einfache Umsetzung und eine ansprechende Information entscheidend für dessen Gelingen ist.

Zudem befragte das Forschungsteam von RE³Tex die Konsumenten, wie sie zukünftig bei Mängeln – defekte Beschichtung, Löchern, Pilling, fehlerhaftem Gewebe oder Verformung verfahren würden.

  • Löcher, kaputte Nähte oder lose Knöpfe würden die meisten selbst reparieren.
  • Bei einer defekten Beschichtung oder einem defekten Reißverschluss würden 37 Prozent bzw. 61 Prozent eine Serviceleistung nutzen.
  • Pilling stört laut Umfrage die meisten nicht, sie würden das Textil weitertragen.
  • Bei fehlerhaftem Gewebe oder Verformungen hingegen würde die Mehrheit den Artikel entsorgen.
Die häufigsten Defekte von Outdoor-Bekleidung laut RE³Tex.
Die häufigsten Defekte von Outdoor-Bekleidung laut RE³Tex. - © RE³Tex
Was machen Verbraucher bei defekter Beschichtung ihrer Outdoorbekleidung?
Was machen Verbraucher bei defekter Beschichtung ihrer Outdoorbekleidung? - © RE³Tex

Das wünschen sich Verbraucher von den Dienstleistern

Um Reparatur- und Aufbereitungsservices künftig häufiger zu nutzen, wünschten sich die Befragten eine hochwertige Dienstleistung, kostengünstigen und schnellen Service sowie eine Garantie, dass die Textilien ihre Passform beibehalten. 92 Prozent der befragten Konsumenten wären bereit, für Reparatur und Aufbereitung zu bezahlen. Theoretisch würden 61 Prozent der Verbraucher bis zu 5 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises investieren, 36 Prozent sogar mehr. Grundsätzlich zieht die Mehrheit der Verbraucher die Aufbereitung und Reparatur dem Neukauf vor. QR-Codes mit Informationen zu Reparatur sowie eine Ersatzteillieferung könnten laut RE³Tex die Nutzungsdauer von Textilien verlängern.

Fazit: Branche braucht zielgruppengerechte Information

Nicht zuletzt wurde im Rahmen von RE³Tex das Recycling von Alttextilien analysiert. Die Schlussfolgerung: "Oft herrscht Unkenntnis über die Abgabemöglichkeiten." Hinzu kommen Zweifel an der Nachhaltigkeit des Systems und der tatsächlichen Recyclingquote der Altkleidersammlung. Auch an dieser Stelle bedürfen erfolgreiche Systeme transparente Kommunikation und zielgruppengerechte Information.

Re³Tex hat das Ziel, ein Modell zu entwickeln, das der Branche den Einstieg in ein kreislauforientiertes Wirtschaftssystem sowie die Umsetzung zukünftiger Anforderungen im Rahmen der EU-Textilstrategie erleichtert. Tragfähig wird das System allerdings laut dem Projekt erst, wenn die beteiligten Partner kooperieren. Dazu gehört einerseits, dass Hersteller aktiv handeln und entlang der textilen Kette Einfluss nehmen. Und andererseits müssten Endkonsumenten mehr bei der Planung und Umsetzung von Systemen berücksichtigt werden, damit sie diese tatsächlich annehmen.

Zum Projekt RE³Tex

Grafik zeigt Ziele und Inhalte des multimedialen Handbuchs des Projekts RE³Tex.
Das Projekt RE³Tex zeigt Strukturen und Potenziale des textilen Kreislaufs auf. - © RE³Tex

Das Projekt RE³Tex wird durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert und läuft vom 1. April 2022 bis zum 30. September 2024.

Hinter dem Projekt steckt das Center Textil Logistik (CTL) unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Markus Muschkiet. Das CTL ist eine Kooperation zwischen der Hochschule Niederrhein und dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML). Den Fokus legen die Forscher auf fünf Forschungslinien: Nachhaltige Textillogistik, Textillogistik der letzten Meile, Intralogistik und IT der textilen Kette, Textillogistik für intelligente Kleidung und Hochleistungstextilien in Produktion und Logistik

Im Rahmen von RE³Tex kooperieren Wissenschaftler der Hochschule Niederrhein zusammen mit den Praxispartnern Maier Sports GmbH, Xiphoo GmbH, ALTEX Textil-Recycling GmbH & Co. KG und IQS Solutions GmbH. Sie erprobten ein Businessmodell inklusive eines Logistikkonzepts zur Rückführlogistik für die textile Aufbereitung als auch für das Textilrecycling.