"RWin 2021" "Wäscherei des Jahres": Alles auf links gedreht

Lange musste dieser Preisträger auf die verdiente Siegertrophäe warten. Immer wieder war eine Preisübergabe vor Ort angedacht, immer wieder hat ein kleiner Virus den Termin unmöglich gemacht. Letztendlich war es dann doch der Postbote, der den Preis überbringen durfte. So ging der Branchenaward "RWin 2021" in der Kategorie "Wäscherei des Jahres" an die Kampschulte GmbH & Co. KG in Soest, Nordrhein-Westfalen.

"RWin 2021": Wäscherei des Jahres: Wäscherei Kampschulte
Die Kampschulte GmbH & Co. KG feierte mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den "RWin"-Preis "Wäscherei des Jahres" mit einer kleinen Oscar-Verleihung. - © Wäscherei Kampschulte

Das 1851 von Caspar Kampschulte als Färberei gegründete Unternehmen überzeugte die Jury besonders mit ihrem innovativen Konzept an einem neuen Standort: Automatisierte Prozesse entlasten Mitarbeitende körperlich, machen sie aber nicht überflüssig. Im Gegenteil, durch die verbesserten Strukturen schafft der Traditionsbetrieb mehr Kapazitäten und somit neue Arbeitsplätze. Das ganze Unterfangen dazu realisiert mitten in der Pandemie und bei laufendem Betrieb.

Wäscherei Kampschulte: Die Anfänge

In der Gründungsphase des Unternehmens, damals noch im benachbarten Geseke, wurde dort alles gefärbt, was aus Textilien hergestellt war. Im Jahre 1897 wurde die Färberei dann zur Wäscherei und zog in ein geeigneteres Gebäude, ergänzt um die chemische Reinigung.

Bis 1906 werden zahlreiche Filialen in der Umgebung geöffnet, so dass auch Privatpersonen aus umliegenden Städten und Dörfern bei Kampschulte waschen und reinigen lassen konnten. Der nächste Umzug erfolgte 1917 in ein eigens gebautes Gebäude am Oelmüllerweg in Soest.

Nachdem 1953 die Betriebsführung an Hetty Kampschulte überging, wurden über 25 weitere Filialen eröffnet. Auch der Firmensitz wurde ausgebaut und weitere Mitarbeiter wurden eingestellt. Ende 1956 waren rund 300 Mitarbeiter für Kampschulte tätig.

1974 werden textile Dienstleistungen erstmals Großkunden im Gesundheitswesen angeboten. In den Jahren bis 1984 wird die Produktionsfläche auf 3.500 m² erweitert und ein Verwaltungsgebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite gebaut. 2011 wurde eine Finisher- und vollautomatische Sortieranlage in Betrieb genommen, 2016 wurden erste Schritte im Bereich Industrie und Handwerk eingeleitet. Seit 2018 lassen Gelände und auch Gebäude eine sinnvolle Erweiterung nicht mehr zu.

Betrieb stand vor der Frage: Umzug? Neubau?

Dazu sprach R+WTextilservice mit Emilio Murrone, Geschäftsführer der Kampschulte GmbH & Co. KG):

Wäscherei Kampschulte
Kampschulte-Standort in Soest. Der Hallenanbau befindet sich auf der linken Seite des Firmenkomplexes. - © Kampschulte
Herr Murrone, wie sind Sie bei der Suche nach einem geeigneten Standort vorgegangen?

Emilio Murrone: Nachdem feststand, dass wir am Oelmüllerweg keine Möglichkeit hatten, Wachstum zu generieren und im Gesellschafterkreis die Entscheidung für eine neue Wäscherei getroffen wurde, habe ich Kontakt zur Wirtschaftsförderung Soest und den umliegenden Gemeinden aufgenommen. Wir haben ein Baugrundstück von ca. 25.000 m² gesucht. Nach diversen Gesprächen mit der Stadt und den Gemeinden hatten wir mehrere Optionen, unter anderem das Gebäude an der Langen Wende. Am Ende haben die bessere Erreichbarkeit dieses Standortes für unsere Mitarbeiter und geringere Investitionskosten im Vergleich zu einem Neubau den Ausschlag für das Gelände in Soest, das alte Coca-Cola-Gelände, gegeben. Die beiden anderen Produktionslinien sind jeweils einen Monat später in Betrieb genommen worden.

Welches Konzept hat denn die Planung der neuen Produktionsstruktur besonders beeinflusst?

Wir wollten die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter reduzieren und eine Produktivitätssteigerung realisieren. Darüber hinaus haben wir eine deutliche Strukturierung der Wäschereiabläufe angestrebt, welche wir mit den drei separaten Produktionslinien, für Flachwäsche, für private Bewohnerwäsche und für Berufsbekleidung auch realisiert haben. Am alten Standort wurden alle Maschinen händisch be- und entladen, der Wäschefluss in der Wäscherei wurde durch Wäschewannen realisiert. Jetzt sind alle Maschinen untereinander verbunden, der Wäschefluss wird durch Transportbänder und Fördersysteme realisiert, die Mitarbeiter stehen an ihrem Arbeitsplatz und die Wäsche wird automatisch und portioniert dort hingefahren.

Welche Rückschläge mussten Sie in dieser Phase besonders bewältigen?

Es gab viele Herausforderungen. Mit dem Umbaustart des Bestandsgebäudes fing auch die Corona-Pandemie in Deutschland an. Keiner wusste, welche Auswirkungen das für uns haben würde. Wir haben frühzeitig mit allen beteiligten Firmen, in Spitzenzeiten waren ca. 60 Handwerker und Monteure auf der Baustelle, Regeln vereinbart und die Hygienemaßnahmen auf der Baustelle deutlich erhöht, so dass wir ohne nennenswerte Ereignisse und ohne Zeitverzug nach nur zehn Monaten die erste Produktionslinie in Betrieb nehmen konnten.

Wäschere Kampschulte am neuen Standort: Blick auf Nachhaltigkeit

Statt 25 t Wäsche pro Schicht lassen sich am neuen Standort nun pro Schicht 35 t Textilien bearbeiten. Dies sei durch moderne Waschstraßen und schnelle Taktungen im gesamten Betrieb gelungen. Weitere Ziele waren die Senkung der Energie- und Wasserverbräuche und eine kontinuierliche Verbesserung durch Analyse der Prozessdaten. Letzteres wurde durch die neuen Anlagen realisiert, die die Produktionsdaten in Echtzeit ins Netzwerk weitergeben. So wurde die "RWin"-Jury neben dem Fokus auf die Mitarbeitenden und die optimierten Prozesse auch mit diesem Blick auf Nachhaltigkeit überzeugt.

Trotz der hohen Automatisierung werden heute eher mehr Arbeitskräfte benötigt als zuvor. Zurzeit verzeichnet das Unternehmen 190 Beschäftigte. Das lasse sich vor allem durch den eindeutigen Wachstumskurs und den Aufbau von weiteren Schritten begründen. Durch jede Schicht multipliziere sich die erweiterte Kapazität noch weiter.

"Alles in allem war der Umzug ein gemeinschaftliches Projekt, in dem alle Abteilungen Ideen und Konzepte mit einfließen lassen konnten", so Geschäftsführer Murrone. Auch im Bereich der Digitalisierung werden durch die neuen Gegebenheiten nun einige Dinge stärker forciert.

Wäscherei Kampschulte
Sortieranlage in Funktion. - © Wäscherei Kampschulte

Kampschulte generiert Daten in Echtzeit

"In unserer neuen Wäscherei sind alle neu beschafften Maschinen datentechnisch mit einem Server verbunden und werden dort durch die Kannegiesser Software 'Smart Laundry' ausgewertet. Dies hilft zu analysieren, wie Energie und Wasser an Waschtaktstraßen und den Weiterverarbeitungsanlagen wie Trockner, Mangel oder Finisher eingespart werden können.

Durch eine gleichmäßige Auslastung wird die Produktivität gesteigert. Neuartig ist, dass es mit der Software möglich ist, Daten in Echtzeit zu analysieren und damit Fehler beim Auftreten zu erkennen. Ist damals ein Frischwasserventil in einer unserer Waschstraßen hängen geblieben, so stellten wir diesen Fehler in der Regel erst am Abend bei der Aufnahme der Wasserverbräuche fest. Die Maschine ist ohne Störungsmeldung problemlos weitergelaufen. Mit der automatisierten Datenerfassung wird ab sofort nach wenigen Sekunden gezeigt, welche Anlage mehr Wasser als erwartet benötigt", ergänzt Emilio Murrone.

Innovative Qualitätskontrolle

Aber nicht nur in der Problemvorbeugung, sondern auch in der Qualitätskontrolle wurde innovativ aufgerüstet: So wurde die Online-Messtechnik "Qualitech" in der Produktionslinie der Flachwäsche installiert und Kampschulte ist nun in der Lage, 100 Prozent der Wäscheposten innerhalb der Taktzeit zu prüfen. Im Branchenstandard wird durch unregelmäßige Stichproben kontrolliert, was für eine lückenlose Rückverfolgbarkeit und vollständige Dokumentation nicht ausreichend ist. Durch die neue Technik ergebe sich eine noch konstantere Qualität des Waschergebnisses und zeitgleich eine Sicherheit in allen dazugehörenden Prozessen.

Dieses Vorgehen übertreffe den Branchenstandard um ein Vielfaches und passe perfekt zu dem hohen Qualitätsanspruch des Soester Unternehmens. "Nicht nur wir sind von diesem neuen Verfahren überzeugt, auch das Hohenstein Institut hat die praxisnahe Funktionalität mit einem sehr guten Ergebnis geprüft und befürwortet das System", so Murrone. Passend dazu wurden sogenannte UVC-Anlagen in allen Waschstraßen installiert. Diese reinigen das Wasser der Waschstraßen zusätzlich per UV-Licht. Dadurch könne ein höherer Reinheitsgrad bei gleichzeitig geringerer Aufwendung von Desinfektionsmitteln erreicht werden. Auch im Kundenservice wurde viel weiterentwickelt. So zum Beispiel wurden Webportale zur Online-Bestellung und Online-Kataloge entwickelt und konsequent eingesetzt, um den Kunden das optimale digitale Erlebnis bieten zu können.

Wäscherei Kampschulte
Blick auf Förderbänder und Sackanlage. - © Wäscherei Kampschulte

Betrachtet man die Entwicklung der Firma Kampschulte vor dem Umzug, während des Umzugs und auch danach, so wird eines deutlich: Stillstand ist keine Option. Innovative Ideen und Konzepte werden konsequent verfolgt und weiterentwickelt. Es scheint, als wäre die gesamte Firma wie ein Bekleidungsstück auf links gedreht worden – mit neuen Standards zu einem hochtechnologischen und modernen Textildienstleister.