Fatex-Seminar in Baden-Baden Achterbahnfahrt der Gefühle

Der erste Tag des Fatex-Seminars, das am 26./27. Januar in Baden-Baden stattfand, war für die Teilnehmer eine Achterbahnfahrt der Gefühle: Der erste Referent zeigte, wie Arbeitgeber bei Neueinstellungen Lohnzuschüsse erhalten, der zweite stellte EU-Richtlinien vor, deren Verstoß teuer werden kann. Der zweite Tag war vor allem für Aufbereiter von OP-Textilien interessant.

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    Rechtsanwalt Volker Lindner stellte die nationalen und EU-Regelungen vor, auf die bei Fahrern geachtet werden muss.
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    Dr.-Ing. Christian Meysenburg und Sven Schöppe tauschten sich über ihre Referatsthemen aus.
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    Rechtsanwalt Winfried Maier, Ute Löffelhardt, Präsidentin von Fatex, Viola Frey, die das Seminar mitorganisierte, und Christian Himmelsbach (v.l.n.r.).

Achterbahnfahrt der Gefühle

Die gute Nachricht kam zuerst beim diesjährigen Fatex-Seminar: Gerald Maisberger, fachlicher Leiter Arbeitsmanagement bei der Agentur für Arbeit, Rastatt, machte bereits vor seinem Vortrag „Bei Neueinstellungen gibt’s Lohnzuschüsse.Die Bundesagentur für Arbeit hält das Geld bereit!“ Lust auf mehr. Und tatsächlich hielt der Referent, was sein Titel versprach, und zeigte, bei welchen Personengruppen ein Arbeitgeber mit Zuschüssen rechnen kann. Dies können Arbeitnehmer mit Vermittlungshemnissen sein, wenn deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegender Umstände erschwert ist (z.B. schwerbehinderte Menschen). Hier gibt es die Möglichkeit, Behinderte auf Probe zu beschäftigen, um ihre Eignung festzustellen. Dieses Arbeitsverhältnis kann auf bis zu drei Monate befristet sein. Für die behindertengerechte Ausgestaltung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen gibt es u.U. Fördergeld. Zur Beschäftigungsförderung hat die Arbeitsagentur das Sonderprogramm WeGebAU 2007 aufgesetzt, dessen Ziel es u.a. ist, zu vermeiden, dass gering qualifizierte und ältere Menschen arbeitslos werden. Den Arbeitgebern wird im Rahmen dieses Programms die Möglichkeit gegeben, ungelernte oder ältere Menschen zu qualifizieren, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und die Mitarbeiter zu motivieren. Während der Arbeitnehmer auf Fortbildung ist, kann ein Arbeitsloser als Vertreter eingestellt werden, zu dessen Entgelt der Arbeitgeber mindestens 50 %, höchstens 100 %Zuschuss erhält. Um von der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung befreit zu werden, muss ein über 55-Jähriger zum ersten Mal eingestellt werden. Bei dieser Regelung gilt eine Frist bis Ende 2007. Die Initiative „50 plus“ hat ebenfalls zum Ziel, die Berufschancen der Älteren zu verbessern. Mit einem Kombilohn gleicht die Agentur für Arbeit im ersten Jahr der Beschäftigung 50 % der Nettodifferenz aus, im zweiten sind es noch 30 %.

Aber auch Jugendliche in der Ausbildung unterstützt die Arbeitsagentur und bietet sogenannte ausbildungsbegleitende Hilfen an, zu denen z.B. Förderunterricht gehört. Diese sind bei der jeweiligen Agentur zu beantragen und für das Unternehmen kostenfrei. Ebenso kostenneutral ist die Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE), bei denen ein Arbeitgeber den Jugendlichen drei Jahre lang testen kann und ein Bildungsträger die Ausbildung begleitet. Die Einstiegsqualifikation Jugendlicher (EQJ) hat die Intention, eine Brücke zwischen Jugendlichen und Betrieben zu schlagen mit dem Ziel eines Ausbildungsverhältnisses. Hier soll bei geringen Kosten für das Unternehmen die Praxistauglichkeit des Jugendlichen innerhalb von mindestens sechs, höchstens zwölf Monaten getestet werden.

Den Titel seines Referates „Der Fuhrpark der Textilreinigungsbranche im Würgegriff der europäischen Bürokratie“ hatte sich Rechtsanwalt Volker Lindner, Freiburg, zwar nicht selbst gewählt, im Laufe seines Vortrages stellte sich jedoch heraus, dass die neuen Regelungen, die aufgrund von EU-Richtlinien gelten, die Arbeitszeiten von Fahrern streng reglementieren. Sie haben den Zweck, „die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten und die Rahmenbedingungen flexibler Arbeitszeiten zu verbessern“ (Arbeitszeitgesetz § 1).

Laut EG561/2006 müssen Fahrzeuge, die seit 1. Mai 2006 erstmalig zum Verkehr zugelassen werden, mit einem digitalen Tachografen ausgerüstet sein. Sowohl bei digitalen als auch bei analogen Kontrollgeräten muss das EU-Recht (EG 2135/98, EG 1360/2002) eingehalten und Arbeits-, Bereitschaftszeiten sowie Pausen müssen registriert werden. Betroffen sind laut EUu.a. Fahrzeuge, die zur Güterbeförderung dienen und deren zugelassenes Gesamtgewicht mehr als 3,5 t beträgt. Dies gilt auch, wenn ein Fahrzeug leer unterwegs ist und keine Güter transportiert. Digitale Tachografen bieten unterschiedliche Hersteller an (z.B. Actia, Siemens, Stoneridge), die laut EU-Recht auf dem technischen Stand von 1999/2000 sein müssen. Dies könne zu langen Entladezeiten (rund 20 Minuten pro Fahrzeug) führen, sagte Lindner. Voraussetzung für die Bedienung eines digitalen Tachografen ist eine Fahrerkarte, über die die Daten eingelesen werden. Diese ist nicht übertragbar und kann nur mit einem EU-Kartenführerschein beantragt werden, wenn der Fahrer seit mindestens sechs Monaten seinen Wohnsitz in Deutschland (bzw. dem EU-Land, in dem er die Fahrerkarte beantragt) hat. Gemäß EG-Verordnung 3820/85 muss wenigstens einer der folgenden Führerscheinklassen nachgewiesen werden:B, BE, C1, C1E, D1, D1E, D oder DE. Um zu vermeiden, dass ein Fahrer mehrere Fahrerkarten besitzt, wird das Dokument auf nationaler (beim Kraftfahrbundesamt) und EU-Ebene registriert. Eine Fahrerkarte ist fünf Jahre gültig. Auch Fahrer, die nur sehr selten unterwegs sind, sind verpflichtet, sie mit sich zu führen. Die Karte muss vom Arbeitgeber gezahlt werden (einmalige Gebühren rund 40 Euro), da das Arbeitsrecht vorschreibt, dass Kosten, die während eines Arbeitsverhältnisses aufgrund von Gesetzesänderungen anfallen, nicht vom Arbeitnehmer getragen werden müssen.

Weitere Pflichten des Arbeitgebers:Alle 28 Tage müssen die Daten von der Karte heruntergeladen, über einen Computer auf einen unabhängigen Massenspeicher geladen, für zwei Jahre aufgehoben und dann aus Datenschutzgründen gelöscht werden. Die Empfehlung des Referenten hierzu: „Lieber die Karte bereits nach drei Wochen einlesen und bereits nach zwei Monaten die Daten herunterladen, da der Fahrer krank werden oder in Urlaub gehen könnte.“ Die Daten müssen den zuständigen Behörden auf Aufforderung zur Verfügung gestellt werden. Außerdem in der Unternehmerpflicht: Das Einweisen der Fahrer und das Einhalten der Fahrerpflichten sowie der gesetzlichen Vorgaben bei Tourenplanungen. Zu Verstößen des Fahrers, auf die der Unternehmer reagieren muss, gehören z.B. Überstunden. Versäumt der Unternehmer dies, können die Behörden ein Bußgeld von mindestens 200 Euro verhängen, warnt Lindner. Vorsicht ist auch bei Fahrern geboten, die ihre Dienste freiberuflich anbieten. Besitzen sie kein Fahrzeug, werden sie schnell der Scheinselbstständigkeit verdächtigt, da sie über kein eigenes Betriebskapital verfügen.

Im Arbeitszeitgesetz ist Arbeitszeit die Zeit, „vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen; Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern sind zusammenzurechnen“ (§ 2 ArbZG). Zur Gesamtberechnung der Arbeitszeit fordert der Arbeitgeber den Arbeitnehmer schriftlich auf, eventuelle Nebentätigkeiten anzugeben. Werden diese auf selbstständiger Basis getätigt, muss die Zeit nicht auf die Gesamtarbeitszeit angerechnet werden. „Wer viel arbeiten möchte“, sagte Rechtsanwalt Lindner, „muss sich selbstständig machen.“

Zwischen zwei Arbeitstagen muss eine Mindestruhezeit von elf Stunden bestehen, zu denen die An- und Abfahrt zum und vom Betrieb nicht gerechnet wird. Die gesamte Arbeitszeit darf in einer Woche 48 Stunden nicht überschreiten, sie kann jedoch auf bis zu 60 Stunden verlängert werden, „wenn innerhalb von vier Kalendermonaten oder 16 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden nicht überschritten werden.“ (§ 21a ArbZG, Abs. 4). Bereitschaftszeiten, die höchstens 15 Minuten dauern, sind keine Arbeitszeit. Dazu gehört z.B. Warten auf das Be- und Entladen des Fahrzeugs (im Gesetzestext siehe § 21 a ArbGZ). Ebenfalls zu unterscheiden: Ruhepausen, in denen das Auto genutzt werden darf, sowie Ruhezeiten, in denen das Auto stehen muss.

Der digitale Tachograf bietet die Möglichkeit, zwischen Bereitschafts- und Arbeitszeit zu unterscheiden, was bei der Gesamtberechnung der Lenkzeit von großer Bedeutung ist. Zur Arbeitszeit gehört z.B. die Kfz-Kontrolle am Morgen, das Tanken oder das Prüfen der Frachtpapiere beim Kunden. Werden diese Posten von der Gesamtarbeitszeit abgezogen, bleiben u.U. nur noch wenige Stunden, in denen der Fahrer lenken darf. Der Tipp des Anwalts: Die Verträge der Fahrer überprüfen und auf Sechs-Tage-Wochen erhöhen, da sich dadurch die Wochenarbeitszeit auf 48 Stunden erweitert.

Diese strikten Regeln können jedoch nur vollzogen werden, wenn die Behörden bzw. die Polizei massiv kontrolliert. Ansonsten gilt der Satz: „Wo kein Kläger, dort kein Richter.“ Ebenfalls wissenswert:Beamte aus Baden-Württemberg und in Kürze auch aus Bayern werden bereits geschult, mit mobilen Prüfgeräten innerhalb weniger Minuten festzustellen, ob ein Fahrer seine Arbeits- und Lenkzeiten eingehalten hat. Ein detailliertes Studium der neuen EU-Regelungen ist unerlässlich. Zum Teil treffen sie auch auf solche Unternehmen zu, die ihre Logistik an einen externen Spediteur abgegeben haben. Über ein weiteres Thema mit zahlreichen rechtlichen Tücken berichtete Rechtsanwalt Winfried Maier, Stuttgart: die Ausschreibungspflicht von öffentlichenInstitutionen. In der EU wurde festgelegt, dass Verträge ab einem Grenzwert bei 211.000 Euro europaweit ausgeschrieben werden müssen. Diese Ausschreibungspflicht kann auch über mehrere Jahre zustandekommen (z.B. 80.000 Euro u 3 Jahre ergeben 240.000 Euro). Kommt beispielsweise ein Krankenhaus dieser Verpflichtung nicht nach, ist der Vertrag anfechtbar. Zum Umgang mit Dumpingpreisen hat die Vergabekammer Tübingen die Kalkulationsunterlagen eines Bieters, dessen Preis 32 %unter dem Zweitniedrigsten lag, geprüft. Das Ergebnis erstaunt:Die Kammer stellte eine Auskömmlichkeit fest und entschied, dass der Bieter mit diesem Auftrag noch etwas verdienen kann.

Die Unregelmäßigkeiten bei Ausschreibungen beginnen oft bereits früher – und zwar bei der Formulierung:In einemFall in Württemberg war nicht eindeutig formuliert, ob der Auftrag das Sterilisieren von Medizinprodukten enthält oder nicht. In solchen Fällen müsse umgehend gerügt werden, da dies zu den formellen Anforderungen einer Ausschreibung gehöre, warnte Maier – und zwar in schriftlicher Form und mit anwaltlicher Hilfe. Besonders für kleine und mittelständische Unternehmer ist die Frage nach Losen interessant. Der Auftraggeber ist dazu verpflichtet, vor jeder Ausschreibung zu prüfen, ob eine Aufteilung möglich ist.

Über drei Instanzen hinweg haben die Gerichte in Deutschland die Zulässigkeit von Sozialtestaten geprüft. Begonnen hatte das Verfahren mit dem Berliner Vergabegesetz, laut dem in der Baubranche kein Sozialtestat gefordert werden darf. Dem widersprach der Bundesgesetzhof, bevor das Bundesverfassungsgericht Ende vergangenen Jahres entschied, dass es einem Bieter durchaus zuzumuten sei, ein Sozialtestat vorzulegen. Diese Entscheidung steht jedoch unter dem Gesetzesvorbehalt, dass ein Testat nur dann zulässig ist, wenn dies dem jeweiligen Bundes- oder Landesgesetz entspricht, so Maier. Gerade Krankenhäuser schreiben häufig Verträge aus. Eine Art der Zusammenarbeit ist PPP (Public Private Partnership) oder zu Deutsch:privat-öffentliche Zusammenarbeit. Dr.-Ing. Christian Meysenburg von der Universität Kassel berichtete über die „Voraussetzungen für PPPin der Krankenhauswäscherei“. Bei diesem Modell arbeiten private Unternehmen mit öffentlichen Institutionen zusammen. Ziel dabei ist es, trotz leerer öffentlicher Kassen einen Sanierungs- und Investitionsstau zu vermeiden. Im Mittelpunkt steht die Effizienzsteigerung, da dem Unternehmer Gestaltungsfreiheiten bei der Auftragserfüllung gegeben sind, so lange er im Ergebnis das liefert, was die öffentliche Hand verlangt.

Das Einsparungspotenzial von PPPhat das Kompetenz- und Dienstleistungszentrum PPPfür Baden-Württemberg an der Uni Kassel/Uni Stuttgart untersucht. Beispiel ist eine Berufsschule in Pforzheim, bei der die privat-öffentliche Kooperation einen Barwertvorteil von rund 19 %brachte. Da die Berechnungen auf Annahmewerten basieren, sind Schwankugnen in der Praxis sehr wahrscheinlich. „Bei einem Barwertvorteil von über 5 %sollte die öffentliche Hand jedoch über PPPnachdenken“, erläuterte Meysenburg.

Noch näher an die Praxis von Textildienstleistern kommt das Referat von Sven Schöppe, Leo System, Schwerte, heran. Er sprach über Mehrweg-OP-Textilien heute, denMarkt, die Möglichkeiten und Anforderungen (siehe auch ’RWTextilservice‘ 2/2007, S. 12). Europäische Richtlinien und nationale Gesetze haben ein Sicherheitssystem geschaffen, das vom Medizinproduktegesetz bis zum Qualitätsmanagement reicht. Unter die Normreihe 13795 fallen dabei „Operationstücher-, -mäntel und Reinluftkleidung zur Verwendung als Medizinprodukte für Patienten, Klinikpersonal und Geräte“. Je nach Verantwortlichkeiten bei der Herstellung und Aufbereitung sind neben den Regeln zum Inverkehrbringen auch die Gesetze für das Betreiben vonMehrwegprodukten zu beachten.

Bei Lohnwäsche sind die vertraglichen Absprachen hinsichtlich Aufbereitung und Verantwortungsgrenzen zu prüfen. Bei Mietwäsche ist der Dienstleister als Inverkehrbringer weit mehr in der Verantwortung und es empfiehlt sich, ein Risikomanagement im Betrieb einzuführen. Die europäische Normenreihe unterscheidet zwischen zwei Leistungsstufen:Standard-Performance für kleine OPs und High Performance für große, nasse OPs. Dabei zeigt sich laut Schöppe, dass Baumwoll- oder Mischgewebe kaum für Standard geschweige den für High Performance geeignet sind. Erstere Anforderungen erfüllen Mikrofilamente, Letztere ausschließlich Laminate.

Um die Leistung eines Produktes während der Aufbereitungszyklen verfolgen zu können, muss es mit einem Identifizierungscode ausgerüstet werden. Eine Validierung und Dokumentation bei der Aufbereitung von Medizinprodukten ist unerlässlich. Schöppes Fazit:Die Aufbereitung von Medizinprodukten ist an hohe Anforderungen gekoppelt, die durch die vom Betreiber beauftragte Einrichtung erfüllt werden müssen, z.B. Unternehmen, die im Zuge von Outsourcing Dienstleistungen wie Textilpflege anbieten. lin