Immobilienkauf Belastung richtig einschätzen

Günstige Preise und niedrige Zinssätze – Vieles spricht derzeit für einen Immobilienerwerb. Um sich nicht in wirtschaftliche Unsicherheit zu begeben, sollte die Finanzierung einer Immobilie gut kalkuliert sein und fachkundige Beratung in Anspruch genommen werden.

Belastung richtig einschätzen

Nach wie vor gibt es bei langfristigen Immobiliendarlehen kaum erkennbare Anzeichen für Zinssteigerungen. Unternehmer, die geschickt vergleichen, zahlen kaum mehr als 4 % Zinsen pro Jahr. Allerdings wäre es leichtsinnig, eine derart langfristig orientierte Entscheidung nahezu ausschließlich an der Höhe des Zinssatzes auszurichten. Einige zehntausend Zwangsversteigerungen pro Jahr sind je nach konkretem Fall Beweis für möglicherweise nicht genau kalkulierte Finanzierungsbelastungen. Bei einer herkömmlichen Finanzierung ist die jeweilige Immobilie meist erst nach mehr als 30 Jahren vollständig zurückgezahlt, so dass sich Bau- und Kaufinteressenten rechtzeitig auf diesen langfristigen Zeitraum einstellen sollten.

Wer dagegen die sprichwörtliche Gunst der Stunde niedriger Zinssätze nutzt und den eigentlich üblichen Tilgungsanteil von zunächst 1 % pro Jahr auf 2 % verdoppelt, kann die Gesamtlaufzeit um einige Jahre verkürzen. Entscheidend ist dabei, dass es keinerlei Zweifel über die langfristig orientierte Zahlungsfähigkeit geben darf: bei einem Investitionsbetrag von 300.000 Euro, einem Zinssatz von 4 %und einer Tilgungsrate von 2 % beträgt die Annuität, also die Jahresleistung, immerhin 18.000 Euro (12.000 Euro Zinsen, 6.000 Euro Tilgung). Diese Annuität gilt darüber hinaus lediglich bis zum Ablauf der jeweiligen Zinsbindung von beispielsweise fünf, zehn oder mehr Jahren. Danach wird mit allen Unwägbarkeiten, die der Kapitalmarkt langfristig zu bieten hat, neu verhandelt. Es hängt also auch von der jeweiligen Zinseinschätzung des Käufers oder Bauherrn ab, für welchen Zeitraum er sich letztlich entscheidet.

Unabhängig von persönlichen Präferenzen ist es derzeit sicherlich ratsam, eher über längerfristige Zinsbindungen nachzudenken und sich somit die günstigen Zinssätze ebenso langfristig zu sichern. Soweit möglich, sollte ebenfalls sichergestellt sein, dass die Immobilie bis zum Beginn des Ruhestandes weitestgehend schuldenfrei ist. Wird dagegen eine entsprechende finanzielle Belastung bis ins Rentenalter übernommen, kann es spätestens dann zu finanziellen Problemen kommen.

Unternehmer, die in wirtschaftlich schwierigen Zeiten häufig ohnehin knapp kalkulieren müssen, sollten im Vorfeld der jeweiligen Finanzierungsüberlegungen die Gesamtkosten der Immobilie nüchtern kalkulieren. Neben den reinen Bau- oder Kaufkosten einschließlich Grundstück können die Grunderwerbsteuer, die Kosten des Notars und des Grundbuchamtes sowie eventuelle Maklergebühren zusätzlich 10 % und mehr an finanziellem Aufwand beanspruchen. Diese Kosten sollten grundsätzlich aus eigenen Mitteln bezahlt werden können. Eine zusätzliche Finanzierung würde je nach Liquiditätslage weitere Anstrengungen und mittelfristige Einschränkungen in der Finanz- und Liquiditätsplanung des Unternehmers verursachen. Die Erfahrung lehrt, dass in einer solchen Situation finanzielle Mittel aus dem Betrieb herausgezogen werden, die dort dann wiederum fehlen.

Der sich daraus möglicherweise ergebende Teufelskreis sollte durch eine sorgfältige und professionelle Planung unbedingt vermieden werden. Als Grundsatz gilt: Nicht Größe und Preis der Immobilie sind entscheidend, sondern die langfristige Fähigkeit, die Zins- und Tilgungsleistungen zuverlässig und vertragsgemäß zu erbringen. Außer dem erwähnten Betrag zur Begleichung der Nebenkosten sollte kein Immobilienerwerb ohne ausreichendes Eigenkapital erfolgen. Hier gilt nach wie vor ein Minimum von 20%. Bei einer Baumaßnahme sollte außerdem darauf geachtet werden, dass die Baukosten nicht aus dem Ruder laufen und eine maximale Höchstgrenze unbedingt eingehalten wird.

Auch die übliche Teilfinanzierung mit Hilfe eigener Muskelkraft sollte nach Abstimmung mit dem Kreditgeber realistisch eingeschätzt werden und sich an den individuellen handwerklichen Möglichkeiten des Bauherrn orientieren. Hinzu kommt der Zeitfaktor. Meist ist es unrealistisch, wenn Unternehmer beabsichtigen, neben ihrem operativen Geschäft im Betrieb ebenfalls aufwändige Eigenleistungen an Immobilien durchzuführen.

Zurück zur eigentlichen Finanzierung: Die regelmäßigen Zins- und Tilgungsbelastungen sind für die Gesamtfinanzierung zu ermitteln. Angebote von Kreditgebern, die mit angeblichen „Superkonditionen“ werben, sollten sorgfältig geprüft werden: So helfen zum Beispiel „4 % Effektivzinsen p.a.“ bei einer Zinsbindung von fünf Jahren und einem „Beleihungsauslauf“ von 60 % in der Gesamtfinanzierung nicht sehr viel weiter, wenn der Unternehmer 80 oder sogar 90 % der Gesamtkosten finanzieren muss. Die fehlende Finanzierungsspitze von 20 % kann durchaus bis zu etwa 1 % Zinsen höher liegen als die erwähnten 4 %. Je nach Gesamtkosten der Immobilie kann sich die Zins- und Tilgungsbelastung durchaus um einen vierstelligen Betrag pro Jahr erhöhen. Michael Vetter