Editorial Blicken wir in die Zukunft!

Verena Erhart ist Landesinnungsmeisterin in Tirol. - © Innung

Blicken wir in die Zukunft!

Wo sehen wir uns und unseren Berufsstand in 10 bis 15 Jahren? Gibt es unser Handwerk dann überhaupt noch, oder hat sich unser Dienstleistungsangebot dann schon komplett überholt? Im Zeitalter von Billigmode stellt sich die Frage, mit welchen Argumenten schaffen wir es noch, Kunden dazu zu bewegen, eine Putzerei aufzusuchen. Sind hier etwa Automaten zur Anlieferung und Ausgabe der Putzereiware eine interessante Alternative?

Heutzutage ist der Faktor Zeit zum Maß aller Dinge geworden. Geschäftsleute haben fast generell keine Zeit, schon gar nicht tagsüber. Wenn diese um 10 Uhr abends vom stressigen Job nachhause kommen und dann vielleicht auch noch einen Anzug aus der Putzerei holen sollen, dann machen ihnen die gewerkschaftlich verordneten Ladenschlusszeiten einen ordentlichen Strich durch die Rechnung. Ein Ärgernis, welches wohl für jeden von uns nachvollziehbar ist. Ein Automat, bei dem man seine Putzereiware rund um die Uhr abholen könnte, das wäre hier wohl auf den ersten Blick die Geschäftsidee des Jahrhunderts. Doch ist dieser Automat wirklich eine so tolle Alternative zum aktuellen Angebot, die Putzereiware persönlich in den Annahmestellen abzuholen?

Meiner Meinung nach sind einerseits die Anschaffungskosten für diesen Automaten im Vergleich mit den erzielbaren Umsätzen viel zu hoch und würden keiner betriebswirtschaftlichen Betrachtung standhalten. Andererseits ist die vollkommen anonyme Annahme und Ausgabe der Putzereiware durch den Automaten bei weitem nicht jedermanns Sache. Die Kunden, welche ihre hochwertige Garderobe zur Reinigung bringen, sind immer mehr von Markenbewusstsein geprägt. Garderobe wird von einem Großteil unserer Kunden als Statussymbol gesehen. Zum Audi A6 oder Mercedes-Benz muss es nun mal halt ein Hugo-Boss-Anzug für den Papi und/oder ein nettes Kleidchen von Dolce & Gabana für die Mami sein. Ist diese beschriebene Zielgruppe wirklich für einen anonymen Automaten empfänglich? Ich kann nicht glauben, dass diese Diskonter-Anonymität bei diesem Kundenkreis gut ankommt.

Der Kunde von morgen schätzt den persönlichen Kontakt, denn dieser unterstreicht sein Statusgefühl. Er ist qualitätsbewusst, will persönliche Betreuung vom geschulten Personal, das ihm in allen relevanten Fragen Rede und Antwort steht. Und genau in dieser Erwartungshaltung des Kunden von morgen sehe ich unser großes Potenzial. Wir müssen in Zukunft den Kunden zeigen, was wir für einzigartige Leistungen anbieten. Gehen wir doch auf die Sonderwünsche unserer Kunden ein. Das ist keine Frage des Preises, sondern eine Frage dem Kunden seinen Status als „König“ (der Kunde ist bekanntlich König) zuzugestehen. Sehen wir etwa schon vor der Reinigung der Ware, dass an dem guten Stück ein Knopf fehlt, dann bieten wir dem Kunden doch schon im Vorfeld an, dass wir ihm diesen Knopf annähen, auch wenn dies der Kunde von sich aus nicht sofort dezidiert verlangt. Sehen wir uns doch als Dienstleister und als Serviceerbringer und nicht als einfache Handwerker, die nur das tun, was man ihnen abverlangt. Solche kleinen Dienste machen sich mittel- bis langfristig mehr als bezahlt.

Man bleibt dem Kunden in positiver Erinnerung und er verbindet mit der Reinigung eine positive Assoziation der gesamtheitlichen Textilpflege, die weit über das bloße Saubermachen der Kleidungsstücke hinausgeht. Diesen Eindruck kann ein Automat nicht liefern, daher stellt dieser auch keine Konkurrenz zu unserem derzeitigen Geschäftsmodell dar, und das ist unsere große Stärke, die wir versuchen müssen auch weiterhin aufrechtzuerhalten. Natürlich kann man diesen umfassenden Service nicht zu Dumpingpreisen anbieten. Ich bin mir sicher, dass eben diese gewisse, qualitäts- und statusbewusste Kundenschicht bereit ist, ein entsprechendes Budget für Qualität, Kundenservice und Flexibilität auszugeben. Mein Fazit in diesem Zusammenhang: Unser Handwerk wird in den nächsten Jahren nicht aussterben, aber dass wir unsere Kunden und deren Wünsche und Bedürfnisse in Zukunft noch mehr in den Mittelpunkt unserer Tätigkeit stellen müssen, um unsere Kunden von den Vorteilen unserer Dienstleistung zu überzeugen und sie damit umfassend zufriedenzustellen.

Ihre Verena Erhart, Landesinnungsmeisterin Tirol