Im Gespräch mit Urs Kaufmann Branchenberater mit EFIT-Geschichte

Urs Kaufmann (73) könnte sich zufrieden zurücklehnen. Er hat vieles erreicht, als Unternehmer und Mitwirkender in der EFIT seit mehr als 50 Jahren. An Ruhestand denkt der Schweizer Branchenberater trotzdem nicht. Er wird auch weiterhin mit seinem Know-how den Vorstand des Schweizer Fachverbandes (VTS) unterstützen.

Urs Kaufmann "am Steuerrad der Branche".
Urs Kaufmann "am Steuerrad der Branche". - © Kaufmann

Als Urs Kaufmann im Jahr 2016 die U. Kaufmann Beratungen GmbH in Zofingen in der Schweiz gründet, blickt er bereits auf 40 Jahre erfolgreiche Unternehmensführung im Familienbetrieb zurück, auf jahrzehntelanges Engagement im Schweizer Fachverband (VTS) und in der EFIT sowie auf eine langjährige Lehrpraxis an Schweizer Berufsschulen. Im Jahr 2002 hatte der Diplom-Textiltechniker noch ein Didaktik- und Pädagogik-Studium absolviert.

Kurzum: Urs Kaufmann ist prädestiniert, seiner Branche mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Nach wie vor unterstützt der 73-Jährige den Vorstand des VTS und arbeitet in der technischen Kommission des Verbandes mit. In den Jahren 2018 und 2020 koordinierte er die Teilnahme an den SwissSkills, den internationalen Berufsmeisterschaften in der Schweiz, für seinen Berufsverband.

Das Thema Aus- und Weiterbildung liegt ihm am Herzen, nicht zuletzt aufgrund seiner eigenen Biografie und seiner positiven Erfahrungen während des Studiums zum Textiltechniker an der Akademie Hohenstein. An diese Zeit erinnert er sich gern, denn sie prägte seine Karriere und sein Engagement für die Europäische Forschungsvereinigung Innovative Textilpflege e. V. (EFIT), die aus der Forschungsstelle Chemischreinigung und Kleiderfärberei (FCR), wie sie anfangs hieß, hervorgegangen ist. Wie bereits sein Vater Arthur Kaufmann jun. bringt sich Urs Kaufmann nach seinem Studium als Mitglied in die Branchenvereinigung ein.

Textilbranche und EFIT in Zeiten radikalen Wirtschaftswandels

Es ist eine Zeit des radikalen Wandels in der Wirtschaft. "Alles blickte nach Amerika! Was von dort kam, war der wahre Fortschritt. Das galt nach Ende des Zweiten Weltkriegs auch für die Chemischreinigungsbranche", so berichtet es auch Prof. Dr. Josef Kurz, der ehemalige Leiter der Forschungsstelle, die seit 1970 in Hohenstein angesiedelt war, in einer Zusammenfassung über die Geschichte der Forschungsstelle. Gegründet wird die FCR, die später Forschungsstelle Textilreinigung (FTR) heißt, im Jahr 1953 von Mitgliedern des ehemaligen Verbandes der Färber und Chemischreiniger in Bad Kissingen. Seit Januar 2004 ist es die Europäische Forschungsvereinigung Innovative Textilpflege e.V. (EFIT). Mit der Umbenennung durch die Mitgliederversammlung in die EFIT sollten sowohl die Orientierung in Richtung Verbraucher als auch die europäische Ausrichtung deutlich werden.

Erste internationale Kontakte knüpfen die Gründer auf der Internationalen Fachausstellung der Branche im Jahr 1955 in München. Und bereits in den ersten Jahren bietet die FCR ihren Mitgliedern Schulungen und Lehrgänge in Zusammenarbeit mit der Ingenieurschule Krefeld an. Die Entwicklung in der Chemischreinigungsbranche ist in den Jahren 1953 bis 1970 durch moderne Textilien, die auf den Markt drängen, geprägt. Ebenso rasant entwickelt sich die Reinigungstechnik weiter. Handwerk und Gewerbe müssen mitgehen. Entsprechend hoch sind der Informations- und Beratungsbedarf der Betriebe.

Das Wissen und Engagement der Forschungsstelle ist gefragt, deren Experten sich unter anderem intensiv mit den Kollegen im amerikanischen Forschungsinstitut, dem National Institut of Drycleaning (NIP), austauschen. Diese Gespräche fördern gleichzeitig den Dialog zwischen FCR und den Hohensteiner Institute und münden letztlich in der Verbindung. Im Juli 1970 übernimmt Dr. Jürgen Mecheels, Direktor der Hohensteiner Institute, die Geschäftsführung der FCR und Josef Kurz wird wissenschaftlicher Leiter. Mit dem Umzug nach Bönnigheim und der neuen Geschäftsführung geht eine strukturelle Neuausrichtung der Forschungsstelle einher. So bietet die Akademie Hohenstein im Jahr 1970 erstmals einen neuen Studiengang an, der speziell auf die Bedürfnisse der Textilreinigungsbranche zugeschnitten ist.

Kaufmann studiert Textiltechniker

Das Intervallstudium zum Textiltechniker ist auch für den jungen Schweizer Urs Kaufmann eine spannende Option. Er zieht nach Bönnigheim, um an der technischen Akademie zu studieren, die ebenfalls von Josef Kurz geleitet wird. Hier will er auf die Ausbildung als Chemischreiniger und Kleiderfärber aufbauen, um die bestmöglichen Voraussetzungen für die Übernahme des elterlichen Betriebes zu schaffen. "Nach meiner Lehre war ich eineinhalb Jahre im Militärdienst, daher war diese Weiterbildung sinnvoll und nötig", sagt er dazu.

Urs Kaufmann genießt die Zeit in Hohenstein: das Studium, die Geselligkeit und die Freizeit unter Gleichgesinnten. "Ich wohnte meist in einem möblierten Zimmer zur Untermiete, erst in Bönnigheim, dann in Kirchheim. Nach Hause in die Schweiz fuhr ich ein oder zweimal pro Semester. Andere Studierende kamen aus Norddeutschland und blieben ebenfalls wochenlang in der Gegend. Somit ergab es sich, dass wir zusammen in Besenwirtschaften gingen. Das Café Nusser an der Hauptstrasse in Bönnigheim war unser Treffpunkt. Hier spielten wir nach Feierabend manche Runde Skat." Wenn er erzählt, schwingen nostalgische Erinnerungen und tiefe Verbundenheit mit. Zu Josef Kurz habe er einen guten Draht gehabt, da dieser schon seinen Vater kannte und den damals hochmodernen Familienbetrieb in der Schweiz einige Male besuchte.

Der erfolgreiche Abschluss an der Akademie als Diplom-Textiltechniker im Februar 1974 ist der Höhepunkt seiner Zeit in Hohenstein. "Anschließend durfte ich mit meiner heutigen Gattin eine viermonatige Reise in die USA machen. In Washington besuchten wir den ehemaligen Hohensteiner Dr. Manfred Wentz, der inzwischen Leiter des amerikanischen Forschungsinstituts NIP war und konnten gemeinsam Parallelen zu unserem Hohenstein ziehen."

Urs Kaufmann: Wissen weitergeben und Nachwuchs fördern

Aus den USA zurückgekehrt, steigt Urs Kaufmann im Jahr 1975 in den Familienbetrieb ein, zunächst als Reiniger und Detacheur, dann als technischer Betriebsleiter. Die Kaufmann AG Chemische Reinigung beschäftigt seinerzeit 50 Angestellte im Hauptbetrieb, arbeitet mit 250 Annahmestellen im Umkreis von bis zu 70 Kilometern und betreibt dreizehn Filialen. Fünf Jahre später übernimmt Urs Kaufmann die Leitung des Familienbetriebes, den er bis zum Verkauf im Jahr 2014 erfolgreich führt. "Meine Söhne waren nicht interessiert, daher übergab ich den Betrieb einem Nachfolger, für den ich heute noch als Berater tätig bin", erfahren wir.

Sich mit einem Know-how als diplomierter Textiltechniker beratend zu engagieren und sein Fachwissen weiterzugeben, ist Urs Kaufmann bereits als junger Unternehmer wichtig. Er engagiert sich im Schweizer Fachverband, zuerst als Mitglied der technischen Kommission, dann als Vorstandsmitglied. Ein trauriger Anlass führt dazu, dass er hier eines seiner wichtigsten Anliegen durchsetzen kann: die Gründung einer Umweltkontrollstelle. "Nach der Brandkatastrophe in der Chemiefabrik in Schweizerhalle wurde diese Entscheidung von der Generalversammlung getroffen. Ich wurde zum Präsidenten gewählt und konnte nun mit verschiedenen Kantonen ein Kontrollkonzept verwirklichen. Die Kontrollstelle VKTS existiert bis heute."

Ende der 90er Jahre folgt Urs Kaufmann seinem Ruf zur Lehrtätigkeit und dem Aufruf der Berufsschule St. Gallen. Er gibt sein Amt im Vorstand ab, bewirbt sich als Lehrer und übernimmt den Unterricht in Fachkunde und Chemie. Er bildet sich im Pädagogikstudium weiter und wechselt an die Berufsschule in Zürich, wo er bis zu seinem 66. Lebensjahr unterrichtet. Junge Menschen in ihrem Beruf zu fördern und an deren Motivation zu feilen, spornt ihn selbst immer wieder an, an der Entwicklungsgeschichte der Textilreinigung mitzuwirken.

Das Qualitätskonzept EFIT-"fashionCare"

Urs Kaufmann hat den Wandel in der Textilreinigung live und direkt miterlebt. "Die entscheidenden Veränderungen begannen im Jahr 1975, als die Jeans plötzlich von der Arbeitshose zum Freizeitlook wurde. Mitte der 70er Jahre haben wir noch hunderte von Jeans gewaschen, damit sie alt aussehen, was dann von der Industrie durch Stonewash abgelöst wurde und inzwischen in Löcher und Risse geendet ist. Mit der Billigkleidung, die in den 1970ern auf den Markt drängte, veränderte sich das Verhalten der Kunden. Die Reinigung war oftmals teurer als eine neue Bluse oder Jacke. In der EFIT versuchten wir, den Betrieben zu helfen und durch gemeinsame Aktionen flächendeckend Werbung für die Branche zu machen. Schlussendlich haben wir das fashionCare-Konzept erarbeitet, um durch ein zertifiziertes Qualitätsmanagement eine Steigerung der Betriebskennzahlen und Effizienz zu ermöglichen. Wir kämpfen seit Jahren um mehr EFIT-Mitglieder, damit wir mit unserem Konzept an die Verbraucher gelangen", berichtet Urs Kaufmann, der sich auch für die Zukunft engagierte und qualifizierte Unternehmen in der EFIT wünscht.

Nicht nur zu konsumieren, sondern eine Gegenleistung zu erbringen, ist seitjeher seine persönliche Prämisse. Diese Haltung habe sich im Militärdienst ebenso bewährt wie in der Verbandsarbeit oder in der Politik. Oft zum Leidwesen der Familie, bekennt Urs Kaufmann. "Ich bin in der Branche aufgewachsen, habe alle meine Aus- und Weiterbildungen darin absolviert und darf heute noch für meinen Nachfolger Aufgaben übernehmen. Da hat man eine innige Verbindung."