Genossenschaft CIBUTEX: Gemeinsam für einen ­geschlossenen Kreislauf

Der Textildienstleister GREIF Mietwäsche, Gewinner des Branchenpreises "RWin-Wäscherei des Jahres", ist seit Anfang 2024 Teil der textilen Gemeinschaft CIBUTEX. CTO Ralf Hellmann spricht mit uns über die Zusammenarbeit konkurrierender Unternehmen und die Herausforderungen und Chancen der Genossenschaft aus Amsterdam.

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Das Team von CIBUTEX v.l.n.r.: Ralf Hellmann (CTO Cibutex), Joost van Leeuwen (CEO Edelweiss Groep), Nicolet keetelaar (Corporate Procurement Manager, Blycolin), Marc van Boekholt (CEO, Blycolin), Luuk de Win (CCO, Nedlin), Jaqueline Mommert (Marketing & Communications Manager, Blycolin), Jan Lamme (CEO, Cibutex), Johan Cornelisse (COO, Lamme Textile Management). - © CIBUTEX
Ganz von vorn, wie kam es zur Gründung?

Ralf Hellmann: CIBUTEX steht für "circular business textiles": Textilservice-Unternehmen, die miteinander im Wettbewerb stehen, haben sich Anfang 2022 im Bereich der Textilabfallwirtschaft bewusst zusammengeschlossen. Gemeinsam möchten die Mitglieder die textile Lieferkette nachhaltiger gestalten, getreu dem Motto "circularity through cooperation".

Im Mittelpunkt der Kooperation steht das Recycling und Upcycling von alten Firmentextilien, wie zum Beispiel Flachwäsche und Berufskleidung. Die Textilien sollen so wieder zurück in die Lieferkette gebracht werden und dabei nicht nur Abfall reduzieren, sondern auch Wasser und CO2 einsparen.

Die Genossenschaft sieht in den ausrangierten Textilien einen wertvollen Rohstoff, der nach dem eigentlichen Produktlebenszyklus noch genutzt werden sollte. Aus den ausrangierten Produkten werden die Fasern für die Verwendung in neuen Textilprodukten zurückgewonnen. Das Ziel ist es, Verantwortung zu übernehmen und das Textilrecycling auf ein neues Level zu bringen.

Textilrecycling auf einem neuen Level, klingt vielversprechend. Wie soll das denn funktionieren?

Seit der Gründung setzt sich die Gruppe für die Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie ein. Nach Ansicht von CIBUTEX ist eine zirkuläre Wirtschaft nicht die Summe einer Reihe von Leistungen einzelner Organisationen und Unternehmen, sondern die gemeinsame Anstrengung aller Parteien, die in der Produktions-, Nutzungs- und Recyclingphase des Lebenszyklus eines Produkts beteiligt sind.

Dafür bauen wir ein internationales Netzwerk von Unternehmen der Textilindustrie auf. Diese „Koalition der Willigen“ arbeitet gemeinsam an einem zirkulären System. Wir legen besonderen Fokus auf die effiziente Sammlung von B2B-Textilien nach ihrer Verwendung und deren Rückführung in den Produktionsprozess, ohne dabei die Qualität zu beeinträchtigen.

Eine Vision vor Augen zu halten ist grundsätzlich ein guter Ansatz. Was möchte CIBUTEX verwirklichen?

Kein Textil soll mehr vernichtet werden. Wir streben danach, den teilnehmenden Unternehmen in Zukunft die Möglichkeit zu bieten, ihre gebrauchten Textilien am "Ende ihrer Lebensdauer" zu neuer Ware upzucyceln. Um dies zu erreichen, beteiligt sich die Initiative an der Forschung und Entwicklung neuer Upcycling-Technologien und ist im Austausch mit vielen neuen Organisationen, die zum großen Teil noch in der Pilotphase stecken. Dabei unterstützt die Genossenschaft zum Beispiel mit Materialien diverse Testläufe, die sich jetzt noch in der Entwicklung befinden. So konnte ein Start-up B2B-Textilien von CIBUTEX für einen großen Testlauf einsetzen, bei dem 2.000 Kilogramm in einem neuartigen chemischen Recycling verarbeitet wurden. Das ­Jungunternehmen steht nun kurz vor der industriellen Skalierung.

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"From textile to textile": Derzeit werden gebrauchte B2B-Textilien durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Recyclern und unterschiedlichen Technologien wiederverwendet, um sie als neue Ware in der Industrie erneut zu nutzen. - © CIBUTEX
Wer steckt hinter CIBUTEX?

Zu den Gründungsmitgliedern gehören die Unternehmen Blycolin Textile Service, Dibella, Edelweiss Group, Lamme Textile Management und Nedlin. Mit einer Mitgliedschaft erhält jedes Textilserviceunternehmen je eine Stimme und hat gleichzeitig ein Mitspracherecht.

Wie viele Partner und Mitglieder haben sich seit 2022 angeschlossen?

Momentan sind es insgesamt 23 weltweite Unternehmen, darunter Teilnehmende aus den USA, den Niederlanden, Deutschland, Frankreich, Österreich, Dänemark, Belgien und der Schweiz.

Wieso ist es wichtig, dass wettstreitende Textilserviceunternehmen für einen geschlossenen Kreislauf miteinander arbeiten? Widerspricht sich das

Die Firmen glauben, dass sie gemeinsam mehr erreichen können, als wenn sie einzeln eine Kreislaufwirtschaft anstreben. Auf der einen Seite bündeln die Teilnehmer ihre Stärken und ihr Wissen, zum anderen ihre Mengen an gebrauchten Textilien. Denn viele Recyclingverfahren benötigen größere Mengen an Alttextilien, um wirtschaftlich tragfähig zu sein. Die Initiative soll das schaffen. Das Ziel ist es, eine kritische Masse an Alttextilien zu sammeln, um sie ­industriell zu recyceln. Das Upcycling soll so die Produktion neuer Textilien ermöglichen.

Welche Arten von Textilien werden vorwiegend recycelt?

CIBUTEX arbeitet eng mit Recyclern zusammen, die große Mengen an B2B-Alttextilien für ihren chemischen Upcycling-Prozess benötigen. Die von den Upcyclern benötigten Textilien müssen weiß und aus 100 Prozent Baumwolle oder Baumwoll/Polyestermischungen mit maximal 50 Prozent Polyester bestehen.

Hier wird vor allem Flachwäsche – ohne Metallteile wie Reißverschlüsse oder Knöpfe – verarbeitet. Berufsbekleidung wird dagegen überwiegend mechanisch recycelt. Dabei ist eine gute Vorsortierung hilfreich, um ein höherwertiges Recycling zu erreichen. Ein CIBUTEX-Mitglied übernimmt diese Aufgabe: Die unsortierte Kleidung in Klein,- oder Großmengen wird zurückgenommen, nach Farben, Zusammensetzungen sowie Sondertextilien sortiert, zu Ballen verpresst und dem Recycling zugeführt. Dieser Prozess ermöglicht es, Volumen zu bündeln und zu lagern.

Wieso sind keine anderen Farben oder unterschiedliche Rohstoffzusammensetzungen möglich?

Die chemischen Recycler können noch keine Farben verarbeiten. Man ist dort intensiv am Forschen, aber um farbige Textilien chemisch zu recyclen benötigt man noch Zeit. Das Recycling von Textilien in anderen Farben oder aus mehreren unterschiedlichen Rohstoffzusammensetzungen ist technisch anspruchsvoller und ist teilweise noch nicht in ­industriellem Maßstab verfügbar. Die Trennung von Farbstoffen und verschiedenen Fasern kann schwierig sein und die Qualität des recycelten Materials beeinträchtigen. Hier sehen wir aber ­interessante Projekte, die Hoffnung machen, dass auch diese Textilien zukünftig in einen chemischen Recyclingprozess gebracht werden können.

"Downcycling" steht nach wie vor im Raum der Textilindustrie. Warum ist das so?

Das Recycling von Alttextilien ist mit verschiedenen Herausforderungen verbunden. Dazu gehört die bereits erwähnte Trennung von verschiedenen Fasern und Farbstoffen, die Qualität des recycelten Materials und die Wirtschaftlichkeit des Recyclingprozesses. Einige Textilien können aufgrund ihrer Zusammensetzung oder ihres Zustands nicht vollständig recycelt werden und müssen daher "downgecycelt" werden. Darunter versteht man die Umwandlung von Materialien in Produkte von geringerem Wert. Im Fall von Textilien bedeutet dies, dass sie möglicherweise zu Füllmaterial oder Isoliermaterial verarbeitet werden, anstatt zu neuen Kleidungsstücken oder Textilprodukten. Aber all das ist besser als die Textilien thermisch zu verwerten, sprich zu verbrennen.

Es werden aktuell zwei Verfahren für das Recycling genutzt, oder?

Richtig. Es gibt zwei Hauptverfahren: Bei der mechanischen Variante werden die Stoffe zerkleinert und zu Fasern verarbeitet. Diese Fasern können dann zu Garnen gesponnen und zu neuen Textilien verarbeitet werden. Der Ablauf ist relativ einfach und kostengünstig, kann jedoch die Qualität der Fasern beeinträchtigen. Beim anderen Verfahren werden die Stücke in ihre chemischen Bestandteile zerlegt. Diese können dann zur Herstellung neuer Fasern verwendet werden. Der Prozess ist komplexer und teurer als das mechanische Recycling, kann jedoch im Vergleich höherwertige Ergebnisse produzieren.

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    Die Poloshirt-Prototypen aus Post-Consumer-Material sind bereits produziert worden.
    © CIBUTEX
    Die Poloshirt-Prototypen aus Post-Consumer-Material sind bereits produziert worden.
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    Ein LKW transportiert die Alttextilien.
    © CIBUTEX
    Ein LKW transportiert die Alttextilien.
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    Aus alt mach neu: Ausgediente Arbeitskleidung werden zu neuen Textilien verarbeitet.
    © CIBUTEX
    Aus alt mach neu: Ausgediente Arbeitskleidung werden zu neuen Textilien verarbeitet.
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    Zu Ballen gepresst und verpackt: Als Gemeinschaft kann CIBUTEX effektiver die Menge an Alttextilien sammeln, die für eine wirtschaftlich rentable Verwertung notwendig ist.
    © CIBUTEX
    Zu Ballen gepresst und verpackt: Als Gemeinschaft kann CIBUTEX effektiver die Menge an Alttextilien sammeln, die für eine wirtschaftlich rentable Verwertung notwendig ist.
Welche Upcycler übernehmen diesen Prozess?

Das chemische Recycling wickeln die Firmen Södra/Lenzing (Schweden/Österreich), Renewcell (Schweden) und zukünftig WornAgain (Schweiz/England) ab. Für mechanisches Recycling sind die Firmen Altex (Deutschland) und Frankenhuis (Niederlande) tätig.

Und die CIBUTEX Aufgabe im Kreislauf?

Wir bündeln und sammeln große Mengen an B2B-Alttextilien, kümmern uns um den Transport und liefern diese an die Upcycler, die den Textilien "ein neues Leben" schenken. Gemeinsam mit den Mitgliedern und Partnern wird beschlossen, was mit den recyclten Fasern passiert. Mit Herstellern werden Einsatzmöglichkeiten der recyclten Fasern erarbeitet um diese wieder in B2B-Textilien einzusetzen. Die finanzielle Abwicklung der Erlöse erfolgt auch über CIBUTEX.

Für was werden die Gewinne verwendet?

Die Einnahmen aus dem Verkauf der Alttextilien gehen direkt an die Unternehmen, die diese zur Verfügung stellen. Zukünftig sollen mögliche Erlöse in die Bereiche Forschung und Entwicklung investiert werden.

Ein Unternehmen möchte ein Mitglied von CIBUTEX werden. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden?

Jedes Textildienstleistungsunternehmen kann Mitglied werden. Es sollte ein Bekenntnis zu nachhaltigem Wirtschaften vorhanden sein. Partner sind Unternehmen, die keinen Textilservice anbieten, wie zum Beispiel Hersteller und/oder Endkunden des Textilservices. Der Partnerbeitrag richtet sich dort nach dem Umsatz.

Inwiefern profitieren Mitglieder?

Neben der kompletten Abwicklung der Alttextilien und Rückführung in Textilien verbessert sich zudem die Reputation bei Stakeholdern. Mitglieder nehmen teil am Wissens- und Erfahrungsaustausch mit Kollegen. Und man ist Teil einer Bewegung der "Willigen" auf dem Weg zu einer nachhaltigen Textilserviceindustrie. Wir streben an, dass CIBUTEX eine europäische Branchenlösung für das Recycling der Textilserviceunternehmen wird.

Alle Betriebe schließen sich zu einer Organisation zusammen um die Vorteile einer Recyclingskalierung zu nutzen. Durch eine große Branchenlösung ergeben sich auch Möglichkeiten Fördergelder zu bekommen und den Textilservice von möglichen "Strafzahlungen" auszunehmen. Denn in der Politik wird eine Abgabe auf Textilien diskutiert. Wir streben danach diese Abgabe dann nicht für den Textilservice zu erheben, sondern diesen auf die Fashion Industrie zu begrenzen, da das Geschäftsmodel des Textilservice bereits nachhaltig im Kreislauf arbeitet.

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"Gemeinsam schaffen wir mehr": Diese Ansicht vertreten die Mitglieder von CIBUTEX. - © CIBUTEX
Können Sie etwas über laufende ­Projekte erzählen?

Die ersten mechanisch recycelten Alttextilien konnten bereits zu einem neuen Garn verarbeitet werden. Die technische Prüfung des Garns ist abgeschlossen und für die weitere Produktion freigegeben. Aus diesem CIBUTEX-Garn wird jetzt Gewebe für Flachwäsche produziert. Zudem laufen diverse Spinnversuche mit unterschiedlichen Recyclatanteilen der CIBUTEX-Textilien. Außerdem wurden aus mechanisch recyclten OP-Kasacks und -Hosen neue Polos produziert. Hier stehen die technischen Prüfungen noch aus. Die Polos sehen aber bereits sehr gut aus und sind die ersten B2B-Textilien aus Post-Consumer-Material unserer Mitglieder.

Neben der Textilproduktion stehen wir vor dem Abschluss und dem Launch einer Online-Plattform für unsere Mitglieder. Die Mitwirkenden können dort ihre Materialien online zur Verfügung stellen. Der logistische Prozess läuft dann zukünftig auch über diese Plattform. Im nächsten Schritt werden wir diese Informationen dann für andere Organisationen öffnen.

Wieso plädiert CIBUTEX dafür, dass in der Textilindustrie auf nachhaltige Materialien umgestiegen wird?

Konventionelle Baumwolle und Polyester spielen noch eine zu wichtige Rolle in der B2B-Textilindustrie, da sie überwiegend in der Herstellung von Arbeitskleidung und anderen Textilprodukten verwendet werden. Recyceltes Material ist im Vergleich zu konventionellen Rohstoffen aber umweltfreundlicher. Bio-Baumwolle wird ohne den Einsatz von synthetischen Pestiziden und Düngemitteln angebaut. Recyceltes Polyester und regenerierte Zellulosefasern werden aus wiedergewonnenen Materialien hergestellt, wodurch Abfall reduziert und Ressourcen geschont werden. Der Übergang zu nachhaltigen Werkstoffen ist ein unabdingbarer Schritt, um die Auswirkungen der Textilindustrie zu reduzieren.

Wie sieht die Zukunft aus?

Mehr als 700 Tonnen Textilien, Stand Februar 2024, konnten bereits wiederverwertet werden. Mit dem Wachstum in Mitgliedern erwarten wir dieses Jahr über 1.000 Tonnen zu recyclen und in 2026 mindestens 2.500 Tonnen.