Antimikrobielle Ausrüstung – versilberte Zellulosefasern Die Berufskleidung von morgen

Im Oktober wird in Rudolstadt/Thüringen die neue Werkhalle der Smartfiber AG in Betrieb genommen. Das Unternehmen war im September 2005 aus dem Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung e. V. (TITK) ausgegründet worden. Zur Produktpalette gehört unter anderem Smartbioclean, antimikrobiell ausgerüstete Zellstofffasern.

  • Bild 1 von 3
    © TITK
    RechtsStrümpfe mit antimikrobieller Wirkung.
  • Bild 2 von 3
    ©
  • Bild 3 von 3
    © TITK
    LinksDr. Hardy Markwitz:„Zellulose ist ein reines Naturprodukt, das sich durch Wasseraufnahme, Quellfähigkeit und Atmungsaktivität auszeichnet.“

Die Berufskleidung von morgen

EEAm Anfang steht die Herstellung von Bluewish, einem innovativen Haushaltstuch aus Vliesstoff, von dem bereits 70.000 Stück in die USA geliefert worden sind. Projektleiter Dr. Hardy Markwitz vom TITK sieht besonders für die Bereiche Berufsbekleidung und PSA, aber auch für die Herstellung von medizinischen Textilien gute Verwendungsmöglichkeiten der im TITK entwickelten Zellstoffprodukte.

Bereits Mitte der 80er Jahre hatte man in der Forschungsabteilung des damaligen Chemiefaserkombinats in Rudolstadt begonnen, ein umweltschonendes Verfahren für die Zelluloseverformung zu entwickeln, das heute als „Alceru“ („Alternative Cellulose Rudolstadt“) bekannt ist. Dabei wird die Zellulose in N-Methyl-Morpholin-N-Oxid (NMMNO) verformt. Der anfangs 50%ige Wassergehalt der Suspension wird auf 10 bis 12 % reduziert. Dadurch entsteht eine verspinnbare physikalische Lösung. Unabhängig davon waren damals mit Lyocell in Österreich und Tencel in Großbritannien adäquate Produkte auf den Markt gekommen. Die beiden Hersteller fusionierten 2002. Dr. Markwitz: „Wir suchten nach neuen Marktnischen. Das Verfahren ist nämlich sehr gut geeignet, um Zellulosefasern zu funktionalisieren.“ So können der Spinnlösung feinstgemahlene Feststoffe hinzugefügt und fest in die Fasermatrix eingebettet werden. Auf diese Weise werden Zellulosefasern mit besonderen Eigenschaften erhalten.

Die antimikrobielle Wirkung von Silberionen ist allgemein bekannt. Durch das Ausrüsten von Textilien mit Silberionen werden diese gegen Bakterienbefall geschützt. So kann zum Beispiel die Entwicklung unangenehmer Gerüche unterbunden werden. Neu ist in diesem Zusammenhang die Verwendung von zellulosischen Fasern, die mit bis zu 8 % Silberionen ausgerüstet werden. Der Projektleiter: „Zellulose ist ein reines Naturprodukt, das sich zudem durch Wasseraufnahmefähigkeit, Quellfähigkeit und Atmungsaktivität auszeichnet.“

Das Material kann in der Herstellung von Textil- und Fasermischungen eingesetzt werden. In der Regel reicht ein 2- bis 3%iger Anteil Smartbioclean etwa in einem Baumwoll- oder Polyestergewebe aus, um eine antimikrobielle Wirkung zu erreichen. Somit ist auch der Faktor Wirtschaftlichkeit in der Herstellung gewährleistet.

In der Entwicklungsphase kooperierte das TITK mit der Kulmbacher Spinnerei. „Wir haben uns gemeinsam an das optimale Mischungsverhältnis herangetastet. Nachdem anfänglich ein Garn aus 89 % Baumwolle und 11 % Silberfaser verwendet wurde, entsprach schließlich eine Beimischung von lediglich 2 % Smartbioclean unseren Anforderungen an eine optimale antimikrobielle Wirkung bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit“, berichtet Dr. Markwitz. Aus diesem Produkt werden seit 2005 von der Firma Lindner Socks in Hohenstein-Ernstthal Strümpfe für Diabetiker hergestellt.

Zuvor waren Strickschläuche aus diesem Garn in den Labors der Firma Fresenius und des Textilforschungsinstituts Hohenstein auf ihre antimikrobielle Wirkung untersucht worden. Dabei wurden weder Staphylokokkus aureus noch Staphylokokkus epidermidis, Klebsiella pneumoniae oder andere Bakterien verschont. Sogar nach 80 Waschzyklen bei 95°C wurden noch ebenso viele Silberionen freigesetzt wie bei neuen Textilien. Dr. Markwitz: „Die bioaktive Wirkung blieb in vollem Umfang erhalten.“ Grund genug für einen Produzenten, das Material auf seine Eignung für die Herstellung von Unterwäsche für an Neurodermitis erkrankte Menschen zu testen.

Auch in den Bereichen Berufskleidung, Medizin und Pflege sieht der Projektleiter gute Perspektiven für den Einsatz von „versilberten“ Textilien: „Überall dort, wo strenge Hygiene gefordert wird, können nach dem ,Alceru‘-Verfahren ausgerüstete Zellulosefasern eingesetzt werden.“ Das Spektrum reicht also von der Nahrungsmittelherstellung, Krankenhäusern und Pflegeheimen bis zum hochsensiblen OP-Bereich.

Eine Einschränkung gibt es allerdings: „Die Herstellung reinweißer Gewebe ist nicht möglich, weil Silber unter Lichteinfluss dunkelt.“ Daher sei ein Einfärben bis zu mittleren Farbtönen empfehlenswert, erläutert der Projektleiter. Doch mittlerweile bekennen jaselbst Angehörige der klassischen „weißen“ Berufen gern Farbe. Der Anteil von nur 2 bis 3 % Silberfaser wirke sich auch nicht negativ auf Spezialausrüstungen wie zum Beispiel Flammschutz aus, so Dr. Markwitz: „Die Faser kann beliebig mit allen Komponenten abgemischt werden.“ Und zudem biete sie den Vorteil, dass in den Verarbeitungsbetrieben die Technik nicht umgestellt werden muss. F

Reinhard Wylegalla