Wissenschaft untersucht Wirkung Entwarnung beim Feinstaub

Entwarnung beim Feinstaub

Im Rahmen eines Symposiums der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) befassten sich drei renommierte Ärzte mit den gesundheitlichen Auswirkungen von Feinstaub. Die Wissenschaftler aus den verschiedenen relevanten Fachrichtungen ließen dabei mit ihren Erkenntnissen aufhorchen: Alle drei Experten waren sich einig: Das Gesundheitsrisiko von Feinstaub wird in der öffentlichen Diskussion überschätzt; es gibt aus medizinischer Sicht keinen Grund zur Panikmache. Gegenüber dem Gesundheitsrisiko durch Rauchen sei jenes durch Feinstaub vernachlässigbar, ist Prof. Hartmut Zwick, Lungenfacharzt und bis Ende 2006 Vorstand der Abteilung für Atmungs- und Lungenkrankheiten am Krankenhaus Lainz in Wien, überzeugt. Außerdem verweist der Experte darauf, dass rund 80 Prozent der Belastung für die Lunge aus geschlossenen Räumen und nur rund 20 Prozent von außerhalb komme. Es ist daher zu bemängeln, dass in der gesamten Diskussion bisher die Innenraumbelastung praktisch unberücksichtigt geblieben ist. Zukünftige Untersuchungen müssen die Korrelation zwischen Außenluft- und Innenraumbelastung miterfassen. Laut Zwick ist eine signifikante Wechselwirkung mit schweren Lungenerkrankungen nur für das Rauchen, nicht aber durch Feinstaub nachzuweisen. Er verweist dazu auch auf eine Studie der deutschen Gesellschaft für Pneumologie, wonach bisherige Erkenntnisse darauf hinweisen, dass die pulmonalen Effekte der Schwebstaubbelastung eher gering sind und sich erst nach längerer Expositionszeit auswirken.

Prof. Helmut Popper, Pathologe am Institut für Pathologie an der Medizinischen Uni Graz, fordert eine differenzierte Betrachtungsweise von Feinstaub, denn „Feinstaub ist nicht gleich Feinstaub“; entscheidender als ein Grenzwert für die Feinstaubkonzentration sei die chemische Zusammensetzung des Staubes. Für ihn ist es ein Mangel innerhalb der Feinstaubdiskussion, dass es keine Konzentrationsmessungen toxischer Stoffe gibt.

Prof. Popper erklärt, dass wir seit Beginn unserer Existenz als „Savannentier“ Feinstaub ausgesetzt sind. Der Mensch hat daher im Laufe der Evolution Schutzmechanismen gegen Feinstaub entwickelt. So wehrt das „mukoziliäre Reinigungssystem der Lunge“ Feinstaub bis hin zu den kleinsten Partikeln ab. Während große Partikel ausgehustet werden, werden feine Partikel von den Schleimhäuten wieder hinaustransportiert; Partikel kleiner als PM 2,5 werden von patrouillierenden Fresszellen abgebaut. Ein gesunder Mensch ist daher gegen Feinstaubbelastung gerüstet; nur wenn die Schleimhaut, z.B. durch Rauchen, konstant geschädigt wird, funktioniert der Transportmechanismus immer schlechter.

Auch Prof. Felix Unger, Präsident der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste und Vorstand der Universitätsklinik für Herzchirurgie Salzburg, kann die Feinstaubhysterie nicht nachvollziehen. Herzerkrankungen seien multifaktoriell, es sei daher ein „Unfug, sie auf einen Faktor wie Feinstaub zurückzuführen“, betont der Wissenschaftler. Für Herzgefäßerkrankungen seien ganz andere Faktoren, wie z.B. genetische Vorbelastungen oder der Lebensstil, maßgeblich.

Interessant sind auch die Ergebnisse, die im Rahmen des Symposiums der Chemiker Professor Hans Puxbaum vom Institut für chemische Technologien und Analytik der TU Wien präsentierte. Prof. Puxbaum beschäftigt sich im Rahmen der Aquella-Studien seit Jahren mit den Quellen und der chemischen Zusammensetzung von Feinstaub. Laut Puxbaum gibt es beim Feinstaub in den letzten Jahren einen deutlich abnehmenden Wert. Besonderen Handlungsbedarf sieht der Wissenschaftler im Bereich der Holzfeuerungen. Moderne Pelletsöfen seien wesentlich besser als herkömmliche Holzöfen.

Der Experte verweist darauf, dass in der bisherigen Diskussion der Anteil der Hintergrundbelastung weit unterschätzt worden sei. In Wien sei z.B. die Hintergrundbelastung aus dem Umland wesentlich höher als der Beitrag der Stadt selbst. Maßnahmen müssten daher verstärkt dort ansetzen. Laut Puxbaum sind starke Schwankungen der Feinstaubbelastung zwischen Sommer und Winter zu verzeichnen, wobei die Belastung im Winter um etwa das Vierfache höher als im Sommer sei. Das liege unter anderem daran, dass der Ferntransport von Schadstoffen über Eis und Schnee besser funktioniere.

Konkret setzt sich die Feinstaubbelastung im Großraum Wien aus folgenden Quellen zusammen: 33 Prozent Sekundärpartikel (Ammoniak, Nitrate, u.a. > 80 Prozent Hintergrund), 15 Prozent Holzrauch (> 90 Prozent Hintergrund), 19 Prozent Mineralstaub (z.B. Aufwirbelung, Wintereffekte), zwei Prozent Streusalz, neun Prozent Dieselabgas (2/3 Kfz + 1/3 Offroad), 3 Prozent Bremsabrieb, 15 Prozent nicht identifiziert (Kochen, Gas, natürliche Quellen).

Die Wirtschaftskammer Österreich fordert mehr Augenmaß bei der Setzung von Maßnahmen sowie eine verursachergerechtere Belastung. Maßnahmen müssen verhältnismäßig und effizient sein. Die einseitige Belastung der Wirtschaft wird abgelehnt, auch andere Emittentengruppen müssen berücksichtigt werden. So werden etwa rasche und effiziente Maßnahmen gefordert, um die hohe Feinstaubbelastung durch Holzfeuerungen zu reduzieren.

Auch der Winterdienst ist weiter zu optimieren. Die im heurigen schneearmen Winter stark zurückgegangene Feinstaubbelastung zeigt, welch großen Einfluss Wintereffekte auf die Immissionssituation haben. Maßnahmen zur Effizienzsteigerung des Winterdienstes tragen maßgeblich dazu bei, Grenzwertüberschreitungen durch Spitzenbelastungen zu verhindern. Dr. Elisabeth Furherr