An der mecklenburgischen Ostsee ist das Touristenaufkommen hoch, der Bedarf an Handtüchern und Bettwäsche ist groß. Die Zahl der Wäschereibetriebe, die sich um die Pflege der Textilien kümmern können, nimmt aber beständig ab. Fliegel Nord Textilservice hat nun ein Pool-Konzept für kleinere Hotels und Vermietungsgesellschaften entwickelt. Das Relamare, ein Gästemanagement-Unternehmen in Fuhlendorf, profitiert davon.
Die Wäscheversorgung von Ferienappartements und -häusern ist für die auf Masse ausgelegte Textilservicebranche üblicherweise uninteressant: Der Wäschewechsel erfolgt frühestens nach einer Woche – je nach Aufenthaltsdauer der Gäste – weshalb ein vergleichsweise überschaubares Wäschevolumen zusammenkommt. Dieses muss bei unzähligen Anfahrtsstellen abgeholt und ausgetauscht werden, was für einen überregional arbeitenden Wirtschaftsbetrieb wenig lukrativ ist. Daher hat auch Fliegel Nord Textilservice mit Sitz in Grimmen die Zielgruppe der Ferienhausvermieter lange Zeit umfahren.
Doch dann kam Corona und der Tourismus an der mecklenburgischen Küstenregion veränderte sich. Gäste buchten aus Angst vor einer Ansteckung vermehrt kleinere Hotels oder entschieden sich für die Abgeschlossenheit einer Ferienwohnung. Zur gleichen Zeit sank die Zahl der auf die Bearbeitung von Hoteltextilien spezialisierten regionalen Wäschereien, was zu Engpässen in der Wäscheversorgung führte. Doch damit nicht genug: An der gesamten nordostdeutschen Küste werden ununterbrochen neue Feriendomizile gebaut, die einen weiter steigenden Wäschebedarf generieren.
Marktchancen durch Corona
David Ruszkiewicz, Prokurist und Betriebsleitung von Fliegel Nord Textilservice beobachtet die Auswirkungen von Corona auf den Tourismus im Norden und sieht gute Chancen für sein Unternehmen, in den Mietmarkt für Feriendomizile einzusteigen: "Dafür mussten jedoch zwei Bedingungen erfüllt werden. Zum einen muss eine Sammelabholung bzw. -anlieferung der Wäsche gegeben sein. Zum anderen sind individuelle Textilien tabu."
Reinigungspersonal als Logistikpartner
Das Kriterium einer zentralen Wäscheannahme und -abgabe erwies sich als das kleinere Problem. In den Ferienregionen von Warnemünde über Fischland-Darß-Zingst bis nach Rügen und Usedom sind größere V ermittlungsagenturen tätig, die Ferienhäuser und Appartements im Auftrag und Namen der Eigentümer vermieten. Sie kümmern sich um die Gästebuchungen und bieten weitere Services an, zu denen beispielsweise auch die Koordination der Objektreinigung gehört. Bei Domizilen mit 4- und 5- Sterne-Niveau ist auch das Beziehen der Betten und die Bereitstellung von Frottierwaren eingeschlossen. " Das Reinigungspersonal kann also die Funktion der Textildistribution übernehmen. Die Mitarbeiter erhalten beim Bettenwechsel – also dem Übergang von einem Gast zum nächsten – saubere Wäschepakete und bringen die gebrauchte Bett- und Frottierwäsche zum Feierabend an einen festen Sammelplatz", berichtet Ruszkiewicz. "Dort können wir die Schmutzwäsche abholen und die saubere Wäsche anliefern."
5-Sterne-Qualität für Ferienobjekte am Bodden
Die zweite Grundbedingung war schwieriger zu erfüllen. Die im Jahr 1992 in Berlin gegründete Firma Fliegel Textilservice hatte sich in den Anfangsjahren auf das Wäschemanagement in der Premium-Hotellerie konzentriert. Das Unternehmen stattete Hotels ab 100 Zimmern mit individuellen Textil-Sortimenten aus, übernahm deren kundenbezogene Pflege und eine Auslieferung nach Maß. Seit einigen Jahren kommen auch kleinere Hotels aller Segmente hinzu und werden binnen 24 Stunden und an allen Tagen
der Woche mit Wäsche beliefert. Auch in der Niederlassung in Grimmen gab es schon immer die eine oder andere Ausnahme, die nun den Stein für eine Kundenkreiserweiterung ins Rollen brachte.
Eine dieser Ausnahmen ist das Relamare in Fuhlendorf am Bodden: Das 5-Sterne-Gästemanagement-Unternehmen ist bereits seit fünf Jahren Kunde von Fliegel Nord und bezieht seither Textilien im Mietservice. Aktuell werden einhundert Ferienhäuser mit hochwertiger Wäsche ausgestattet. Dabei wird es aber nicht bleiben. Bald übernimmt das Unternehmen in Fuhlendorf ein weiteres Apartmenthaus mit fünfzig Ferienwohnungen sowie im benachbarten Barth eine große Anlage mit acht Häusern und 170 Gästeapartments.
Alle sollen mit hochwertiger Mietwäsche ausgestattet werden, denn der Prokurist des Relamare, Thomas Sievert, ist von der Dienstleistung von Fliegel Nord überzeugt: " Die von uns betreuten Objekte erfüllen durchweg die 5-Sterne-Klassifizierung des Deutschen Tourismus Verbands (DTV). Dementsprechend hoch sind die Erwartungen unserer Gäste an die Ausstattung ihres Feriendomizils, Textilien eingeschlossen. Wir müssen uns daher auf eine hohe Wäschequalität, aber auch eine schnelle und zuverlässige Versorgung verlassen. Schließlich soll ein Gast umgehend eine neue Bettwäsche bekommen können, wenn er sie benötigt. Der Mietservice von Fliegel gibt uns diese Sicherheit, denn uns stehen ausreichend Garnituren zur Verfügung, die wir nach Bedarf abrufen können. Für den Service zahlen die Eigentümer der Vermietungsobjekte eine monatliche Grundmiete sowie die Waschkosten, die für jedes abgegebene Teil extra berechnet werden. "
Hohe Standards der Wäschepakete
Auch wenn Thomas Sievert schon im Vorjahr bei seinem früheren Arbeitgeber, der Kur und Tourismus Zingst, gute Erfahrungen mit Fliegel Nord gemacht hat, kümmern sich im Relamare zwei Hausdamen um die Bettenqualität und stellen den hohen Standard der Vermietungsobjekte sicher. Bei jedem Gästewechsel kontrollieren sie das Objekt, sortieren die in den Häusern durchzuführenden Reinigungsarbeiten für das Personal vor, stellen die Wäschepakete zusammen. Anschließend wird das Objekt von den Reinigungskräften auf Vordermann gebracht, wozu auch das Beziehen der Betten gehört. Die Schmutzwäsche wird von den Reinigungskräften gesammelt und anschließend in einem Lagerraum in Container für Frottier- und Bettwäsche getrennt abgeworfen. Diese werden von Fliegel Nord abgeholt und gegen Rollwagen mit sauberer Wäsche getauscht.
Automatisierte Wäscheerfassung
Obwohl der klassische Mietservice im Relamare Fuhlendorf etabliert ist, will Fliegel Nord Textilservice das Modell nicht auf weitere Vermittlungsunternehmen ausrollen. Stattdessen hat das Unternehmen ein neues Konzept ausgearbeitet, das auf einer Pool-Lösung in Verbindung mit einem UHF-RFID-basierten Wäschemanagementsystem basiert. Ein achtteiliges Sortiment – es umfasst Handtuch, Duschtuch und Badvorleger, zwei Bettlaken in gängigen Größen, einen Bettbezug sowie zwei Kissenbezügen – ist mit Transpondern ausgestattet.
Diese können bei der Anlieferung und dem Verlassen der Wäscherei mit einem eigens von dem Unternehmen entwickelten Gate und der passenden Software erfasst werden.
" Die marktgängigen Systeme sind uns zu unsicher; sie haben nicht die Erfassungsgenauigkeit, die wir uns vorstellen. Daher haben wir eine eigene Kontrolleinheit entwickelt, die mit 99
-prozentiger Sicherheit arbeitet. So können wir die von einem kleineren Hotel oder einer Vermietungsgesellschaft eingehende und die wieder ausgelieferte Ware direkt im Rollcontainer registrieren und stückgenau abrechnen. Nicht benötigte Wäsche geht in den Pool zurück und wird einem anderen Kunden zur Verfügung gestellt."
Umstellung von der Leih- auf Poolwäsche
Das Pool-System ist im März 2021 in "Produktion" gegangen und soll nun auf die Ferienregion Mecklenburg-Vorpommern ausgerollt werden. Einer der ersten Kunden, auf den das Modell angewendet wird, ist die Zimmervermittlung der Kur und Tourismus (GmbH) in Zingst. Nach Schließung seines vorherigen örtlichen Wäscherei-Partners "Ihr Waschbär" hatte das Gästemanagement-Unternehmen bereits im November 2020 die Textilversorgung an Fliegel Nord übergeben.
In Erwartung eines erneuten Lockdowns hatten sich die beiden Parteien jedoch vorerst auf einen Leihwäsche-Vertrag geeinigt. "Leihwäsche-Verträge sind eigentlich nur für einen saisonalen oder kurzzeitigen Bedarf vorgesehen. Unter den besonderen Umständen schien uns dieser Weg der fairste. Nach den einsetzenden Lockerungen können wir nun aber auf das Pool-Modell umstellen", berichtet David Ruszkiewicz.
Das Unvorhersehbare
Er verspricht sich viel von dem erweiterten Service-Angebot, das einen großen Anteil der Unterkünfte in der Küstenregion abdeckt. Allerdings weiß er auch von den logistischen Schwierigkeiten, die mit der Wäscheversorgung in den Touristenhochburgen verbunden sind: "In der Hauptsaison sind die Straßen verstopft oder für den Verkehr gesperrt. Zusätzlich erschweren Menschenströme das Durchkommen in den Ortschaften. Besonders schwer machen es uns aber Entscheidungen, die den Lieferverkehr nach 10 Uhr morgens unter Strafe stellen. In Binz auf Rügen müssen wir die Hotels aufgrund eines solchen Verbots daher möglichst früh anfahren. Das führt wiederum zur Verärgerung der Hoteliers, die ihren Gästen den Lärm durch Lieferfahrzeuge ersparen möchten. Wir müssen daher eine Lösung finden, die beide Seiten zufrieden stellt – und notfalls auch den einen oder anderen Strafzettel in Kauf nehmen."