Verlorene Auftraggeber Rückerobern statt resignieren

Die Konjunkturaussichten sind derzeit nebulös. Deshalb ist es gerade jetzt umso wichtiger, ein ausgeklügeltes Radarsystem zu entwickeln. Kundenverluste schmerzen sehr – doch oft sind sie hausgemacht oder zumindest vorhersehbar. Nur 13 Prozent aller deutschen Unternehmen betreiben Kundenrückgewinnung systematisch. Ist Ihr Betrieb auch noch nicht dabei?

Rückerobern statt resignieren

Alarm, Alarm: Die Kundentreue sinkt auf breiter Front. Nicht genug, dass jede Geschäftsbeziehung sowieso dem Lebens- und Zufriedenheitszyklus unterworfen ist. Jetzt auch noch die Prognose, dass sich Betriebe künftig auf zunehmende Wechselbereitschaft einstellen müssen. Dabei könnte es in vielen Fällen wesentlich besser laufen: Denn verlorene Auftraggeber sind meist nur „vergessene“ Kunden, so Vera Trimborn vom Consulter MCB-International Ltd. Jetzt die gute Nachricht – verlorene Kunden lassen sich auch wieder zurückholen. Anne M. Schüller, renommierte Expertin für loyales Kundenmanagement, ermutigt, denn sie ist der Überzeugung: „Untersuchungen und Praxisberichte zeigen immer wieder, dass ein großer Teil der abtrünnigen Kunden bereit ist, zurückzukehren, würde man sich nur ein wenig um sie bemühen.“ Die Münchner Trainerin räumt ein, dass sich etwaige Probleme mit Kunden aus der Welt schaffen lassen, man müsse den Verlorenen die Rückkehr nur schmackhaft machen. Schüller verrät auch, was B2B- und B2C-Betriebe dazu brauchen:

1. ein Rückholkonzept, 2. fähige Mitarbeiter und 3. das notwendige Know-how. Entsprechende Praxistipps, wie und warum Sie im Falle von Abwanderung Ihrem Kunden statt leise „Servus“ zu hauchen, aus voller Kehle ein überzeugendes „Stopp, bei uns/mir sind sie goldrichtig!“ nachrufen sollten, zeigen die beiden Schaubilder hier im Beitrag.

Studien verblüffen mit Erkenntnissen, dass es sich lohnt, die alte Kundschaft zu reaktivieren. Immerhin läge die Erfolgsquote bei der Rückgewinnung ursprünglich verlorener Kunden bei bis zu 30 Prozent. Hartnäckigkeit zahlt sich finanziell also aus. So erklärt der Unternehmensberater Christoph Busch: „Viele Kunden entwickeln nach der Rückgewinnung sogar ein weitaus stärkeres Vertrauen in das Unternehmen. Gesteigerte Loyalität, Weiterempfehlungsbereitschaft und eine Ausdehnung der Geschäftsbeziehung sind oft die Folge.“ Klärende Gespräche, detektivmäßiges Aufspüren von Abwanderungs- oder Unzufriedenheitsursachen erfordern außer Produkt-/Sachverstand und Zeit ein besonderes Geschick, die Nadel des Anstoßes im Heuhaufen zu finden. Schließlich können außer berechtigten Reklamationen oder anderen Qualitätsmängeln schon kleinste Unachtsamkeiten bei der Auftragsabwicklung oder Kundenbetreuung ernsthafte Auslöser für das Aus einer bis dato lukrativen Geschäftsbeziehung sein. Betriebsinhaber sollten sich deshalb stärker als bisher für die Beweggründe von Kunden interessieren, die abgesprungen sind. Auch wenn sich die Erkenntnisse als schmerzvoll herausstellen – erst dann programmiert man sich gedanklich zur Findung und Umsetzung konkreter Strategien zur Rückholung der Verlorenen. Der Seminarveranstalter Karl Hermann Künneth rüttelt auf: „Kundenverluste sind normal. Aber es ist unprofessionell, sich nicht intensiv um eine Wiedergewinnung zu kümmern.“ Bedingt durch steigende Ansprüche in unserer Gesellschaft werde auch die Kundenbindung ständig schwieriger, so der Trainer Künneth. Weiterhin erklärt der Seminarexperte: „Leider ist die geplante und konsequent durchgeführte Kundenrückgewinnung eine der stark vernachlässigtsten Tätigkeiten. Hier liegen renditestarke Umsatz- und Ertragsreserven.“ Warum gehen Kunden „fremd“? In den wenigsten Fällen ist das Abwandern auf Produktmängel, Terminüberschreitung oder Preise zurückzuführen. Oft basieren wesentliche Gründe der „Untreue“ auf emotionalen Ursachen. Diesbezüglich deckte das Mainzer Marktforschungsunternehmen Forum bei der Untersuchung einer Dienstleistungsbranche auf, dass nicht die Konditionen, sondern Missachtung, salopp formuliert, bis zu zwischenmenschlichem Versagen, die Hauptgründe von (Ex-)Kunden zum Schmollen und „Fremdgehen“ sind. Interessant auch, dass verärgerte Kunden oft nicht gleich die Rote Karte zeigen, sondern meist schon über einen längeren Zeitraum an Defiziten leiden. Stellvertretend für individuelle Killerfaktoren hier einige generelle Gründe, die Kunden stark verärgern und zum Wechsel veranlassen:

-Im Bereich B2B (Business to Business): Lange Wartezeiten bei Anrufen; Unfähigkeit, vertraglich vereinbarte Dienstleistungen den individuellen betrieblichen Kundenbedürfnissen anzupassen; unfaires Verhalten bei Überschreiten des innerbetrieblichen Kreditlimits; unerfüllte Erwartungen, die beim Start der Zusammenarbeit seitens des Lieferanten (beim Kunden) zwar geweckt, aber nicht erfüllt wurden; negatives Betriebsimage des Lieferanten, unflexibles Verhalten, mangelnder und unaufmerksamer Service, wiederkehrende Logistikfehler; Unfreundlichkeit im Umgang mit Key-Account-Verantwortlichen, fehlende/mangelnde Kennzeichnung gelieferter/bearbeiteter Ware usw.

-Im Bereich B2C (Business to Consumer): Arroganz, Ignoranz, Unhöflichkeit; belehrendes Verhalten, Beleidigung; Unverständnis, insbesondere bei Reklamationen; Nichteinhalten mündlich vereinbarter Termine,; schlampige Abholverpackung; serviceunfreundliche Öffnungszeiten usw.

Merke: Wer planmäßig abgesprungenes Kundenpotenzial zurückgewinnt, sichert sich Wettbewerbsvorteile, so argumentiert Anne M. Schüller. Weiterhin ermuntert die auf Kundenwiederbelebung spezialisierte Marketingfachfrau: „Denn die durch systematische Rückgewinnungsaktionen gewonnenen Erkenntnisse helfen nicht nur, den Kundenstamm zu vergrößern, sie bringen Unternehmen auch dazu, zukünftig präventiv tätig zu werden, um Kundenverluste von vorneherein zu vermeiden.“ Geben Sie also nie zu früh auf! Diese Durchhalteparole gilt insbesondere für das Endkundengeschäft. Denn in diesem Marktsegment sinkt die Loyalität der Kunden häufig viel schneller als im Firmengeschäft.

Stichwort „Ausloten von Abwanderungsgründen“; Im Verhältnis zur Neukundenakquisition verursachen Investitionen in die Reaktivierung schmollender Geschäftspartner oder Einzelkunden weitaus weniger Geld. Gründe für das Verabschieden können vielfältiger Natur sein. Vereinfacht unterscheidet man die Ursachen in zwei typische Kategorien:

B2B und B2C: Ein aus Kundensicht günstigeres, attraktiveres Dienstleistungs-, Waren-/Service- oder Preisangebot von Mitbewerbern.

B2B: Die Kompetenz im eigenen Betrieb oder Kundenunternehmen betreffend; Personalwechsel; Änderungen von Präferenzen der Entscheider und Verantwortlichen auf Kundenseite. Auf beiden Seiten: Neu- oder Umstrukturierungsmaßnahmen, Inhaberwechsel, somit Ablenkung vom Kern- oder Tagesgeschäft, temporäre (Verkaufsförderungs-)Aktionen der Mitbewerber.

Gibt es Kniffe und Tricks, die Stammkunden bei Laune zu halten? Sicher, vieles davon lässt sich sogar Tag für Tag praktizieren. Mit einer Portion Freundlichkeit, hochmotiviertem Einsatz und stets einer Serviceidee mehr als die der Mitbewerber lassen sich Kunden binden und von erstklassigen (Verkaufs-)Argumenten überzeugen. Jeder, der direkten Kontakt mit Kunden hat, sollte sich als Tagesziel vorgeben „Heute setze ich alles daran, Kunden noch zufriedener zu machen.“ Mit welchem Handwerkszeug das geht? Mit ganz, ganz altmodischen Tugenden: Fingerspitzengefühl, Fairness und gutem Willen. Hier einige Eckpfeiler, die zur Kundenbindung täglich ohne Aufwand praktiziert werden können:

-Bedeutung: Nie davon ausgehen, dass Bestandskunden zufrieden sind, sowieso keine weiteren Wünsche haben oder keine Anforderungen stellen. Wollen „die“ etwas anderes, werden sie sich schon melden. Falsch! Stammkunden bezahlen Löhne, Mieten, sichern Erträge. Tipp: Bestandskunden als VIPs behandeln; erstklassige Leistung, Exklusivität und Flexibilität bieten.

-Professionalität: Beschwerden, Anregungen oder Reklamationen nicht mit voreiligen und impulsiven Schimpftiraden beantworten. Wer zahlt, schafft an. Tipp: Entstandene Schäden nicht nur wertmäßig erstatten/wiedergutmachen, sondern auch emotional ausgleichen. Merke: Reklamationen sind nach wie vor Grund Nr. 1 zum Wechsel.

-Zuwendung: Beim Verhältnis Kunde/Anbieter ist es wie in einer „normalen“ Partnerschaft: Nur die ständige Aufmerksamkeit hält das Feuer von Verständnis und Zuwendung am Lodern. Tipp: Wertschätzung nicht nur nach dem Kassenklingeln oder flottem Zahlungseingang stumm zeigen, sondern mit ehrlichem Dank, möglichst bei jedem Auftrag oder Geschäftskontakt zum Ausdruck bringen.
-Zukunftsorientiertes Handeln: Nie siegessicher zurücklehnen, um sorglos auf weitere Aufträge zu hoffen. Tatkraft und vorausschauendes Agieren sind die Mutter aller Betriebserfolge. Tipp: Ständig prüfen, was in welcher Form, zu welchen Konditionen optimierungsfähig wäre. Ganz einfach: Dem Kunden regelmäßig, in jeder Form Mehrwert bieten.

-Schnelligkeit: Bei Ärger und Unstimmigkeiten gleich reagieren, Frust auszusitzen gilt nicht! Bei Reklamationen und Kündigungen in Ruhe zum Telefon oder zur PC-Tastatur greifen, „freundschaftlichen“ Rückholversuch starten, falls erforderlich, in aller Form, gebührend entschuldigen. Tipp: Trotz eventuell gebotener Brisanz bitte nichts übereilen. Überlegen, mit welchem Rückholköder man den Kunden besänftigen, seinen Frust mildern könnte. Nicht „bestechen“, sondern mit einer überzeugenden Idee verblüffen!
Zusammenfassend: Die (Ex-)Kunden aufs Neue zu begeistern, heißt, die Kundenbindung zu stärken. Durch verbesserte (Krisen-)Kommunikation, Angebote, die man nur schwer abschlagen kann, oder mit einem strahlenden Lächeln. Wege gibt es viele. Worauf es täglich wirklich ankommt, ist die simple Erkenntnis: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andrem zu!“ Übrigens: Haben Sie sich heute schon Fragen gestellt wie: „Wie zufrieden ist Kunde X mit dem letzten Auftrag?“ „Womit kann ich den Service für Herrn/Frau Meier verbessern, wenn er/sie wieder in den Betrieb kommt? Und nicht vergessen: Besonders stille oder schlummernde Kunden sind gefährlich. Experten gehen davon aus, neun von zehn unzufriedenen Kunden lassen sich zurückholen, vorausgesetzt die Strategie stimmt. In jedem Fall ist es wichtig, sich mit Abläufen im eigenen Betrieb auseinanderzusetzen, sowohl persönliche als auch organisatorische Schwächen zu erkennen und stets mindestens zwei offene Ohren für (Sonder-)Wünsche zu haben.

Gerhard J. Ernest, Werbebetriebswirt BAW