Textilanalyse Textilien mit Smartphone, KI und Spektroskopie analysieren

Welche Fasern stecken in einem Textil? Diese Frage lässt sich ohne Pflegeetikett nicht ohne Weiteres beantworten – bis jetzt. Das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS hat ein ultrakompaktes Nah-Infrarot-Spektrometer, das Textilien analysiert und bestimmt. Auch Mischgewebe erkennt das System zuverlässig. Die Technologie könnte das Reinigen und das Recycling optimieren.

Wenn der Zettel mit dem Reinigungshinweis nicht mehr lesbar ist: Ein kurzer Check mit dem Smartphone und der integrierten Spektralanalyse erkennt das Gewebe des Kleidungsstücks.
Wenn der Zettel mit dem Reinigungshinweis nicht mehr lesbar ist: Ein kurzer Check mit dem Smartphone und der integrierten Spektralanalyse erkennt das Gewebe des Kleidungsstücks. - © Fraunhofer IPMS

Jedes Element hat einen eigenen Fingerabdruck ähnlich eines Strichcodes. Sichtbar werden die sogenannten Absorptionslinien durch die Analyse von Licht. Am Muster der Linien lesen Astronomen seit mehr als 250 Jahren ab, aus welchen Elementen sich die Materie zusammensetzt. Diese Methode könnte nun auch Textilreinigern zur Hand gehen: Das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS in Dresden hat ein Spektralanalyse-System entwickelt, das Textilgewebe analysiert und erkennt.

Das Spektrometer ist so klein, dass es sich problemlos in ein Smartphone integrieren lässt. Das System basiert auf Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIR) und kombiniert Bildgebung mit Künstlicher Intelligenz (KI). Es arbeitet mit Wellenlängen zwischen 950 und 1900 Nanometern, also nah am sichtbaren Spektralbereich.

So funktioniert die Textilanalyse

Im ersten Schritt erstellen Nutzer ein spektrometrisches Profil des Textilgewebes. Was kompliziert klingt, geht für Anwender recht einfach: Sie schießen ein Bild des Textils.

Das Nah-Infrarot-Spektrometer hat nur 10 mal 10 Millimeter Fläche bei 6,5 Millimeter Höhe.
Das Nah-Infrarot-Spektrometer hat nur 10 mal 10 Millimeter Fläche bei 6,5 Millimeter Höhe. - © Fraunhofer IPMS

An die Kamera angeschlossen ist das Nah-Infrarot-Spektrometer. Das 10 x 10 mm große und 6,5 mm hohe Modul arbeitet mit der Kamera zusammen. Die KI wählt aus den Bildinformationen des Textilgewebes einen prägnanten Punkt und nimmt das vom Stoff reflektierte Licht auf: Es dringt durch einen Eintrittsspalt, wird mit einem Kollimations-Spiegel in parallele Lichtstrahlen gebracht und über einen Scanner-Spiegel auf ein Gitter gelenkt. Das Gitter teilt die Lichtstrahlen je nach Ein- und Austrittswinkel in verschiedene Wellenlängen auf und leitet es über den Scanner-Spiegel auf einen Detektor, der das Licht als elektrisches Signal erfasst.

Diese Signale digitalisiert ein A/D-Wandler (Analog-Digital) und ein Prozessor wertet sie aus. Das so entstehende spektrometrische Profil des Textils gleichen Anwender im zweiten Schritt mit einer Referenzdatenbank ab und erfahren so, um welche Fasern es sich handelt.

NIR-Spektrometer erkennt Mischgewebe

"Das optische Auflösungsvermögen liegt bei 10 Nanometer", erklärt Dr. Heinrich Grüger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Sensorische Mikromodule am Fraunhofer IPMS. Durch die hohe Auflösung könne das neu entwickelte NIR-Spektrometer sogar Mischgewebe aus Polyester und Baumwolle bestimmen.

Recyceln, Shoppen, Waschen

Eine wichtige Anwendung für das KI-gesteuerte Spektrometer sieht Grüger vor allem im Recycling. Allein 2021 summierten sich die Textil- und Bekleidungsabfälle privater Haushalte nach Angaben des Statistischen Bundesamts auf 176.200 Tonnen. Durch die NIR-Spektroskopie hätten Altkleiderverwerten die Möglichkeiten, Textilien besser und schneller zu sortieren. Intakte Kleidung könnte im Secondhand-Handel weiterverkauft und beschädigte Textilien sortenrein recycelt und die darin enthaltenen Fasern wie Leinen, Seide, Baumwolle oder Lyocell wiederverwendet werden.

Wird die NIR-Spektroskopie in ein Smartphone integriert, könnten auch Endverbraucher von der Technik des Fraunhofer-Instituts profitieren. Beim Kauf von Kleidern zeigt ein Check mit dem Smartphone, ob der teure Seidenschal wirklich aus Seide besteht oder die Gewebemischung verrät, ob sich hinter dem Markenkleid nicht doch ein Plagiat verbirgt. Und sollte das Pflegeetikett nicht mehr lesbar oder herausgetrennt sein, hilft das Smartphone via Textilscanner, das Gewebe zu identifizieren und damit den passenden Waschgang einzustellen.