Textilien als Wasserverschmutzer Textilfasern und Mikroplastik auch aus der Wäsche

Seit die Bilder von schwimmenden Plastikmeeren auf den Ozeanen um die Welt gehen, hat das Bewusstsein für die Ursachen und die Verursacher zugenommen. Aber nicht nur an der Oberfläche wird Plastik zum Problem. Vor allem unter der Wasseroberfläche veranlassen Kunststoffteilchen zur Sorge. Zunehmend werden Textilfasern als maritimes Biosphärenrisiko ausgemacht. Sie stammen auch aus Wäschereien und Textilservicebetrieben.

Das Waschen gilt als eine wesentliche Ursache für den Austrag synthetischer Fasern ins Wasser. - © poplasen - stock.adobe.com

Plastikmüll ist eine ernste Bedrohung für das Meer und seine Bewohner. Er schwimmt in Form von Tüten, Einwegflaschen, Folien, Netzen etc. auf der Wasseroberfläche und wird dann und wann an Stränden, in Buchten und andernorts angespült. Doch dieser Anteil macht einer im Januar 2016 veröffentlichten Studie von Eunomia Research & Consulting zufolge nur einen kleinen Prozentsatz aus. Der größte Brocken lagert sich auf dem Meeresgrund ab und kann – wie im Nordpazifik – eine Fracht von 70 kg/km² erreichen.

Die Partikel selbst sind winzig, da Kunststoff durch UV-Licht, Salzwasser, Mikroorganismen oder die Bewegung der Wellen zersetzt und in immer kleinere Teilchen zerlegt wird. Am Ende bleibt Mikroplastik mit Partikeln in einem Größenbereich von < 5 mm übrig. Diese „Kleinstteile“ lagern sich als Bodensatz auf dem Grund der Ozeane ab. Dort werden sie für die Meeresbewohner zum Risiko, denn sie bilden einen ungenießbaren Cocktail aus Reifenabrieb, Plastikpellets, Textilfasern und zahlreichen anderen, durch Kosmetika, Farben und Schiffanstriche eingetragene Kunststoffe. Während über die genaue Herkunft vieler Mikroplastikteile noch gerätselt wird, ist der Eunomia-Studie zufolge eine Quelle zweifellos identifiziert: Die in den Sedimenten gefundenen Fasern stammen aus Bekleidung.

Auch deren Anzahl wurde untersucht: In 1 l Wasser wurden zwischen 100 and 300 Kurzfasern (2 bis 3 mm Länge, < 0,1 mm Durchmesser) gefunden. Von den gefundenen Mengen haben Wissenschaftler eine Hochrechnung angestellt. Ihren Angaben zufolge werden jährlich zwischen 1.580 und 4.760 t Mikrofasern ins Meer gespült – vorausgesetzt, die Abwässer aus Haushalt und Wäschereien durchlaufen eine Kläranlage mit einem Wirkungsgrad der Filter von 90 Prozent. Sollten alle Abwässer jedoch ungeklärt ins Meer gelangen, könnte die Faserfracht auf 52.400 t jährlich steigen. Zahlen wie diese müssen erst einmal verdaut werden.

Exkurs: Textilien und Faseraustrag

Daher sei an dieser Stelle ein kurzer Exkurs erlaubt. Die meisten Textilien neigen zum Austrag von Fasern. Diese Tatsache ist jedem bekannt, der einmal in einer Spinnerei, einer Weberei oder Strickerei, einer Textilveredelung oder einem Konfektionsbetrieb zu Besuch war. Wäschereien kennen die Thematik ebenfalls zur Genüge.

Die Ursachen für das Herauslösen von Fasern aus einem Garn oder Textilverbund sind vielfältig. Die Probleme können bereits in der Spinnerei beginnen. Je kürzer eine Faser ist, desto weniger fest ist ihre Einbindung in das Garn und umso schneller wird sie durch mechanische Einwirkung wieder herausgelöst. Diesen Effekt dürfte manche Wäscherei anlässlich der Baumwollkrise 2010/2011 bemerkt haben. Die in dieser Zeit hergestellten Textilien staubten aufgrund des höheren Kurzfaseranteils deutlich stärker in der Produktion als deren „Vorgängermodelle“. Eine weitere Quelle für den Austrag von Fasern ist das Aufrauen oder Schmirgeln, was vorwiegend der Verbesserung des Hautkomforts von Mischgeweben dient. Bei diesem Vorbehandlungsprozess werden einzelne Fasern aus der Oberfläche herausgezogen und bieten mechanischen Kräften damit eine gute Angriffsfläche.

In der Kürze liegt das Problem

Anfällig für das Herauslösen von Fasern sind auch lose Textilverbünde. Zu diesen gehören Vliese und Vliesstoffe, Strickwaren und insbesondere Fleecematerialien sowie geflockte Oberflächen.

Vliese werden zur Verfestigung von Revers, Kragen und Co. genutzt. Dazu werden sie in der Regel an das Textil „angeklebt“. Aber durch Gebrauch und Pflege kann sich diese Verbindung wieder lösen. Die dadurch freiwerdenden Fasern geraten in Bewegung und migrieren an die Oberfläche. Dort sind sie gut zu erkennen: Die meist weißen Fasern bilden einen guten Kontrast zu den häufig dunklen Anzugsstoffen.

Der gleiche Effekt tritt bei Futtervliesen ein. Die Watteähnlichen Strukturen bestehen zwar in der Regel aus untereinander verfestigten Endlosfasern; aber deren Haltbarkeit ist nicht ewig. Durch Bewegung, UV-Strahlen oder Waschen und Tumbeln brechen die Filamente; die entstandenen kürzeren Fasern bahnen sich anschließend ihren Weg nach draußen.

Strickwaren gehören ebenfalls zu den offenen Textilstrukturen. Die Einbindung der Garne ist deutlich geringer als bei einem Gewebe, was die Migration von Fasern einfacher macht.

Ebenfalls zu den Maschenwaren gehören Fleecematerialien. Bei der Herstellung werden kleine Plüschhenkel gebildet, die später aufgeschnitten werden. Sie lassen sich leicht aus ihrer Struktur herauslösen. Auch wenn eine filmbildende Ausrüstung den Effekt mindern kann, gelten Fleecematerialien als Hauptverursacher der textilen Meeresverschmutzung. Geflockte Oberflächen ergeben ein ähnliches Problem. Kurzfasern sind in eine Matrix eingebunden, lösen sich aber durch Reibung oder nicht fachgerechter Pflege heraus.

Faserflug und Staubbildung in der Konfektion

Viele Ursachen der Kurzfaserproblematik gehen von der Textilherstellung aus und wirken sich auf die nachfolgenden Prozesse aus. Die erste betroffene Folgestufe ist die Konfektion. Im Zuschnitt kommt es zu Faserflug und einer damit verbundenen Staubbildung.

Ein Austritt von Fasern ist aber auch eine Auswirkung der Verarbeitung. So haben Untersuchungen im Zuschnitt gezeigt, dass an den Schnittkanten Kurzfasern entstehen. Bei der nachfolgenden Wäsche werden sie dann herausgewaschen. Auch Säume können an einer schlechten Einbindung von Garnen und Fasern Schuld tragen: Einfach gekettelte Kanten bieten bei mechanischen Prozessen eine höhere Angriffsfläche als umgeschlagene Säume.

Wäschereien und Textilservice am Ender der Kette

Die Folgen einer unaufmerksamen Textil- und Bekleidungsfertigung bekommen am Ende die Wäschereien und Textilserviceanbieter zu spüren. Die Branche hat daher Industriestandards verabschiedet, die eine hohe Qualität der eingesetzten Waren sicherstellen sollen. Der Pillingtest ist obligatorisch: Materialien, die Berufs- oder Schutzbekleidung werden wollen, müssen einen hohen Widerstand gegen die Bildung der Faserknötchen beweisen. Diese und weitere Anforderungen sind Folge der hohen Beanspruchungen, denen industriell bearbeitete Textilien unterliegen. So sind es insbesondere die Waschmechanik und ein hoher pH-Wert, aber auch die abrasiven Prozesse im Tumbler, die Stress für die Polyesterkomponente bedeuten. Durch Auswahl beständiger Materialien lässt sich zwar der Faseraustrag grundsätzlich eindämmen. Mit ihren Prozessen und der steigenden Menge an Fleece­artikeln trägt die Branche einen weiteren Teil zur Mikrofaserfracht im Abwasser bei.

Wie das Thema in Skandinavien bzw. im Speziellen in Norwegen angegangen wird und warum laut Industrievereinigung Chemiefaser präventive Maßnahmen entlang der textilen Kette notwendig sind, lesen Sie in der Dezember-Ausgabe 2017 von RWTextilservice.

Studie: Ein Drittel des Mikroplastikaufkommens stammt aus synthetischen Textilien

Mikroplastik als Umweltgefahr vor allem in den Meeren ist nach wie vor ein aktuelles Thema. Dabei spielen auch Textilien und deren Aufbereitung eine Rolle, wie aktuell auch der WDR berichtete. Dabei geht es vor allem um synthetische Fasern, die bei der Wäsche in kleinsten Partikeln abgelöst werden und als Mikroplastik im Meer landen. Kläranlagen können diese Partikel laut WDR nicht aus dem Wasser filtern. Der Sender zitiert eine Studie der „International Union for Conservation of Nature” (IUCN) von 2017, wonach mehr als ein Drittel des weltweiten Mikroplastikaufkommens aus synthetischen Textilien stammt:

  • Synthetische Bekleidung: 35 Prozent
  • Reifenabrieb: 28 Prozent
  • Feinstaub aus Städten: 24 Prozent
  • Straßenmarkierung: 7 Prozent
  • Schiffsbeschichtung: 3,7 Prozent
  • Kosmetik: 2 Prozent
  • Plastikpellets: 0,3 Prozent

Laut IUCN werden jedes Jahr 42 Millionen Tonnen synthetische Textilfasern verbraucht, Tendenz steigend.

Ebenfalls ein interessanter, vom WDR recherchierter Aspekt: Mehr als zwei Drittel des weltweiten Mikroplastikaufkommens (77 Prozent) rechnen die Forscher des IUCN privaten Haushalten zu.

Der internationale Textilpflegeverband CINET berichtete in einer Onlinemeldung vom 9. März 2018, dass aktuelle Forschung der OSPAR-Konvention („Convention for the Protection of the Marine Environment of the North-East Atlantic”) bestätigt, dass industrielle Textilreinigung kaum zur „Plastiksuppe” in den Meeren beiträgt. Im Report „Assessment document of land-based inputs or microplastics in the marine envorionment” (2017) wird aufgeführt, dass Haushaltswäsche bzw. -reinigung von Textilien etwa 30 Prozent der Summe der synthetischen Mikrofasern ausmacht, die ins Ökosystem gelangen. Gewerbliche Reinigung trage dagegen geschätzt nur 0,03 Prozent bei. Laut CINET ist eine professionelle Textilreinigung also auch im Hinblick auf Mikroplastik die nachhaltigere Variante.

Mikro­plastik: Wie gefähr­lich sind die winzigen Kunst­stoff­teilchen?

Wie gefähr­lich sind die Mikroplastikteilchen für Mensch und Umwelt? Die Stiftung Warentest beantwortet die wichtigsten Fragen, informiert zum aktuellen Stand der Forschung und sagt, was Verbraucher tun können. Hier geht es zum aktuellen Artikel vom 07.10.2018.

Initiative gegen Mikroplastik: Am 1. September 2017 fiel der Startschuss für das Verbundprojekt „TextileMission“. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, die Belastung der Umwelt durch Mikroplastikpartikel zu reduzieren, die Textilien aus Synthesefasern (z.B. Polyester) bei der Haushaltswäsche freisetzen. „TextileMission“ läuft über einen Zeitraum von drei Jahren und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 1,7 Millionen Euro gefördert. Projektpartner sind adidas, der Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie e.V. (BSI), Henkel, die Hochschule Niederrhein, Miele, Polartec, die TU Dresden, VAUDE und der WWF Deutschland. „TextileMission“ will zwei Lösungswege in den Fokus rücken. Zum einen sollen durch textiltechnische Forschung und die Optimierung von Produktionsprozessen Textilien und Bekleidungsstücke entwickelt werden, die im Vergleich zu heute auf dem Markt verfügbaren Produkten einen deutlich geringeren Mikropartikelausstoß aufweisen. Dabei testen die Textilforscher auch biologisch abbaubare Fasern. Zum anderen wollen die Projektpartner zur Optimierung der Kläranlagentechnologie beitragen. Daneben werden mittels Wasch- und Laborkläranlagentests systematisch Daten zum Ausmaß und der Reichweite des Mikropartikelausstoßes unterschiedlicher Textilien erhoben. Weitere Infos zur Initiative gibt es unter www.bsi-sport.de .