Vor Ort: Textilreinigung Sander/Halle an der Saale Detachur ist Chefsache

Die Detachur ist die „Hohe Schule“ des Textilreinigerhandwerks. Moderne Detachiermittel und die Nassreinigung erleichtern zwar die Arbeit und vermindern Risiken. Doch ein geschultes Auge, Erfahrung und Fingerspitzengefühl des Anwenders bleiben unverzichtbar.

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    RechtsDie passenden Hilfsmittel und entsprechendes Fachwissen sind beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Detachur. Foto: Wylegalla
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    Mit Pinsel und Geduld rückt Michael Sander den Flecken zu Leibe.Foto: Wylegalla
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    LinksChristine Sander prüft nach der Detachur, ob die Verfleckung rückstandslos beseitigt wurde. Foto: Wylegalla

Detachur ist Chefsache

Der Pfarrer war skeptisch, ob sich der Rotweinfleck aus der Altardecke entfernen lassen würde. Michael Sander hatte aber nicht zu viel versprochen. Das Textil wurde mit Deprit professional von Kreussler vordetachiert und anschließend chemisch gereinigt. Sogar antike Messgewänder mit Stickereien und andere wertvolle Textilien kann der Inhaber der Textilreinigung Sander in Halle/Saale in der EazyClean-Maschine pflegen. Michael Sander: „Natürlich mache ich vorher einen Gewebetest und prüfe, ob eine Detachur überhaupt notwendig ist.“ Die moderne Wasch- und Reinigungstechnik sei mittlerweile so ausgereift, dass manchmal auf eine manuelle Fleckentfernung verzichtet werden könne.

Überflüssig ist die Detachur indessen nicht geworden. Von täglich etwa 500 eingelieferten Teilen müssen fünf Prozent vordetachiert werden. Bei 40 Prozent der Waren beweisen der Unternehmer und Sohn Mario nach der Nass- oder Chemischreinigung, dass sie die „Hohe Schule“ des Textilreiniger-Handwerks beherrschen. „Bei uns ist die Detachur Chefsache“, unterstreicht Michael Sander.

Michael Sander war früher technischer Leiter und musste sich nach der Wende beruflich neu orientieren. „Textilreinigermeister Manfred Bantelmann, ein in Braunschweig lebender Verwandter, lud mich damals ein, mir in seinem Betrieb das handwerkliche Know-how anzueignen“, berichtet der Unternehmer. Damit betrat er Neuland. Nach einem Jahr war Michael Sander sattelfest genug, um einen eigenen Betrieb zu führen. „Bis ich eine eigene Textilreinigung eröffnen konnte, arbeitete ich als Kundenbetreuer für den Reinigungseinrichter Donini“, so der Unternehmer. Sohn Mario absolvierte währenddessen in der Wolfsburger Textilreinigung Peters eine Ausbildung zum Textilreiniger.

Im Jahr 1991 eröffneten Michael Sander und Ehefrau Christine in der Hallenser Barfüßerstraße ihren ersten Betrieb. Der frischgebackene Unternehmer hatte eine nagelneue 14-kg-Nassreinigungsmaschine und einen Trockner von Miele sowie eine 32-kg-Per-Trockenreinigungsmaschine von Donini installieren lassen. „Wir waren die erste Textilreinigung in Sachsen-Anhalt, die nass und somit auch sensible Textilien reinigen konnte sowie die 2. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung (BimSchV) erfüllte“, berichtet der Unternehmer. Durch den Kundenservice von Kreussler hatte Sander vom WetCare-System erfahren: „Der Wiesbadener Chemiehersteller und Miele hatten den Schulterschluss geübt. Durch diese Kooperation war erstmals eine Maschine mit schonender Mechanik konstruiert worden, die auch für die Reinigung wertvoller Gewebe eingesetzt werden kann. Kreussler hat wiederum seine Produktpalette für Textilreiniger auf das Nassreinigungsverfahren von Miele abgestimmt“, erläutert der Unternehmer. Sowohl die Waschmaschinen und Trockner als auch die Programmierung, Dosiersysteme und Finishtechnik werden laut Sander den hohen Anforderungen an die Pflege von Blazern, Seidenblusen, Angorapullovern und anderer wertvoller Ware gerecht. Das System macht die Verwendung von Lösemitteln und Reinigungsverstärkern überflüssig. Weil keine Destillations-, Kühl- und Kontaktwasserrückstände entstehen, ist die Erfüllung der strengen Auflagen der 2. BImSchV kein Problem.

Mit dem WetCare-Verfahren in Kombination mit Waschchemie von Kreussler werden nach Angaben des Unternehmers sehr gute Ergebnisse erreicht. Dazu ergänzend wenden Michael und Mario Sander das Deprit-professional-Detachiersortiment an. Damit können entweder vor oder nach der Nassreinigung, aber auch im Rahmen der Chemischreinigung sogar hartnäckige Verfleckungen chemisch neutralisiert werden.

Weil Flecken mitunter aus mehreren Komponenten bestehen, müssen die entsprechenden Produkte in abgestimmter Weise nacheinander eingesetzt werden. Ein mitgeliefertes Produktdatenblatt informiert ausführlich über die korrekte Anwendung. Insbesondere bei Textilien mit geringer Farb-/Nassechtheit wird vor dem Detachieren ein Saumtest durchgeführt, um Farbverluste zu vermeiden. pH-abhängige Farbumschläge können durch Auftropfen des entsprechenden Gegenprodukts korrigiert werden. Wenngleich nur ausgesprochen selten, kann eine Detachur mitunter trotz größtmöglicher Sorgfalt misslingen. Michael Sander: „Vor der Annahme eines Auftrags klären wir unsere Kunden über Möglichkeiten und Risiken auf. Reklamationen werden grundsätzlich kundenfreundlich geregelt.“ Aus jedem Schaden wird der Unternehmer aber auch klüger: „Kreussler analysiert im Labor die Ursachen für Reklamationen im Zusammenhang mit hauseigenen Produkten.“

Seit 1994 befindet sich die Produktion in der Hallenser Wielandstraße. Heute unterhält der Familienbetrieb in der Stadt fünf Annahmestellen, in denen die Kunden durch ausgebildete Textilreinigerinnen kompetent beraten werden. Durch die Kooperation mit der Boco-HTS Deutschland GmbH & Co. KG konnte die Auftragsdecke vor fast zehn Jahren spürbar erweitert werden. „Als Subunternehmer reinigen wir für unseren Partner Leasingkleidung von der PSA bis zum Businessanzug,“ berichtet der Unternehmer Michael Sander. Insgesamt 16 Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun, damit die Ware picobello gepflegt einschließlich Reparaturen innerhalb von 24 Stunden an Firmen sowie Privatkunden ausgeliefert werden kann. 2003 wurde Mario Sander der Meisterbrief überreicht. Seitdem wird in Kooperation mit Boco-HTS regelmäßig Berufsnachwuchs ausgebildet.

2006 investierte der Unternehmer in zwei Miele-Nassreinigungsmaschinen mit 24 und 19 kg Fassungsvermögen sowie einen 40-kg-Trockner der neuesten Generation. Voriges Jahr wurden neue EazyClean KWL-Reinigungsmaschinen in Betrieb genommen. Michael Sander: „Die Investitionen waren unter anderem auch in der Erwartung, Energie sparen zu können, dringend notwendig.“ Seine Hoffnung wurde erfüllt: „Durch die neue Steuerprogrammierung von Miele sind die Prozesse noch differenzierter und effizienter. Allein im Bereich Chemischreinigung haben wir die Energiekosten innerhalb eines Jahres um 40 Prozent gesenkt.“

Top sei auch der Kundenservice der Maschinenhersteller: „Sämtliche Maschinen sind mit Modems ausgestattet, über die technische Probleme direkt an den Kundendienst übertragen werden können.“ Es muss also kein Servicemitarbeiter eingeflogen werden, sondern der Kundenservice lotst Wartungs- oder Reparaturarbeiten per Telefon. Ersatzteile können bei Bedarf innerhalb von 24 Stunden geliefert werden.

Moderne Technik kann zwar die Arbeit erheblich erleichtern. Das geschulte Auge, die fundierte Kenntnis chemischer Prozesse sowie ein hohes Maß an handwerklicher Kompetenz bleiben in der Textilreinigung aber unverzichtbar. Michael Sander: „In den Annahmestellen sortieren die Mitarbeiterinnen die Teile nach Vor- oder Nachdetachur, Nass- oder Chemischreinigung.“ Vor dem Bearbeiten im Betrieb erfolgt eine weitere Kontrolle. „Pflegekennzeichen geben zwar eine Orientierungshilfe. Man sollte sich jedoch nicht allein darauf verlassen“, weiß der Unternehmer aus Erfahrung.

Ware mit großflächigen Verfleckungen wird vor dem Waschen oder Reinigen mit dem entsprechenden Vordetachiermittel behandelt und anschließend eingeweicht. Mitunter sind weitere Sonderbehandlungen erforderlich: „Eine Seidenbluse mit starken Schweißrändern etwa wird nach der Nassreinigung noch einmal chemisch gereinigt, um einen besseren Griff zu erreichen“, erläutert Michael Sander ein Beispiel.

Während des Finishings auf der Puppe oder dem Hosentopper werden die Teile abermals sorgfältig auf Flecke kontrolliert. Konnte eine Verschmutzung durch die Wäsche oder Chemischreinigung nicht vollständig entfernt werden, wird sie markiert und im Anschluss mit den entsprechenden Präparaten nachdetachiert. „Kreussler versucht kontinuierlich, durch die Entwicklung neuer Produkte die Grenzen des Machbaren auszuweiten“, so der Unternehmer. Vor der Markteinführung würden die neuen Lösungen in Betrieben unter Praxisbedingungen getestet.

Trotz der praxiserprobten Mittel sollte der Textilreiniger stets vorsichtig mit der Ware umgehen: „Die Temperaturverträglichkeit eines Textils, der Grad seiner Farbechtheit oder Schäden infolge von Lichteinflüssen setzen Grenzen“, warnt Michael Sander. Insbesondere bei historischen Textilien sei Sensibilität geboten. Wenn zum Beispiel ein historischer Gobelin aus der Sammlung von Burg Giebichenstein, Hochschule für Kunst und Design, Halle, gereinigt werden muss, verlässt sich der Unternehmer auf die Kompetenz einer mit den Materialien und Farben sowie deren chemischen Reaktionen vertrauten Dozentin.

Auch sollte man bei allen Vorteilen, die innovative Produkte bieten, das Wissen und Können der Textilreiniger früherer Generationen nicht unterschätzen: „Die modernen Präparate vereinfachen zwar in vielen Fällen die Detachur. Dennoch sind und bleiben überlieferte Rezepturen nach wie vor aktuell“, so Michael Sander. Außerdem gelte die Regel „Zeit ist Geld“ beim Detachieren nicht. Es lohnt sich, an einer Hose eine ganze Stunde lang zu arbeiten. Allein das gute Ergebnis sei wichtig. Denn letztendlich hänge davon ab, ob ein Kunde dem Textilreiniger treu bleibt und ihn weiterempfiehlt oder nicht.

Reinhard Wylegalla