CO2 als neues Lösemittel Ist CO2 ökologisch im Vorteil?

Im Verbundprojekt „Synthese, Charakterisierung und Anwendung von Tensiden zur Reinigung von Textilien in komprimiertem Kohlendioxid “ untersuchte die Universität Kassel von 2000 bis 2004 im Auftrag der Hohensteiner Institute, Bönnigheim, wie chlorhaltige Kohlenwasserstoffe durch Kohlendioxid (CO2)bei der Reinigung von Textilien im Hinblick auf die Umweltbelastung ersetzt werden können.

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Ist CO2 ökologisch im Vorteil?

Zurzeit werden in der Textilreinigung in Deutschland drei Verfahren mit Lösemitteln genutzt. Zum einen handelt es sich um die Reinigung mit Wasser als Lösemittel zusammen mit geeigneten Tensiden als Löseverstärker. Zum anderen wird mit Perchlorethylen (Per) gereinigt. Beim dritten Verfahren erfolgt die Reinigung mit Kohlenwasserstoff-Lösemitteln (KWL). Den größten Anteil hat dabei das Per-Verfahren mit über 60%. Jeweils rund 15% betragen die Anteile der anderen Verfahren (CINET, 2000). In anderen europäischen Ländern ergeben sich für die einzelnen Verfahren ähnliche Anteile. In den USA überwiegt das Per-Verfahren mit rund 80%. In Japan hingegen werden überwiegend Kohlenwasserstoffe als Lösemittel eingesetzt (rund 75%).

Als neues Lösemittel wird Kohlendioxid propagiert, das unter hohem Druck bis hin zum überkritischen Zustand gute Lösemitteleigenschaften aufweist. Diese Eigenschaften gelten aber nur für unpolare Substanzen. Für die Auflösung weitgehend polarer Substanzen müssen zusätzlich geeignete Tenside als Löseverstärker gesucht und entwickelt werden. Im Entwicklungsprozess für diese wie auch für die gesamte Technologie ist daher sicherzustellen, dass die ökologischen Auswirkungen nicht aus dem Blickfeld verschwinden. In Deutschland werden derzeit überwiegend Isoparaffine eingesetzt. Dabei handelt es sich um Gemische von geradkettigen und verzweigten Aliphaten mit 10 bis 14 Kohlenstoffatomen pro Molekül. Die hier genutzten Isoparaffine werden überwiegend aus der Petrolether-Fraktion (Kohlenstoffatome C6 bis C12) bei der Erdölraffination gewonnen. In mehreren Destillationsschritten werden einzelne Kohlenwasserstoffe abgetrennt und weitergereinigt.

Ein geringer Teil der Lösemittel kann nicht der Wiedergewinnung zugeführt werden, da er zusammen mit anderen Materialien aus der Reinigungsmaschine ausgetragen wird oder beim Öffnen der Reinigungstrommel und bei verschiedenen Tätigkeiten an den Maschinen in die Umgebungsluft entweicht. Insgesamt kann diese Menge 14 bis 20 g/kg gereinigte Textilien betragen. Der überwiegende Anteil des nicht rückführbaren Lösemittels wird über den Destillationsrückstand abgegeben. Dabei muss mit einer Menge von rund 8 g/kg Textilien gerechnet werden. Weitere 5 g/kg Textilien finden sich in verschiedenen Filterrückständen. In die Umgebungsluft werden rund 4 g abgegeben. In den gereinigten Textilien befinden sich noch rund 0,12 g. Zu vernachlässigen ist der Anteil des Lösemittels im Kontaktwasser.

Messungen haben ergeben, dass die erhöhten Konzentrationen nur während des Entladevorgangs (bzw. Umladevorgangs bei Maschinen mit separatem Trockner) auftreten. Dies gilt aber auch nur für sehr kurze Zeitintervalle von rund 30 bis 50 Sek. in unmittelbarer Nähe der Entladeöffnung. Dann können Konzentrationswerte von bis zu 800 mg/m3 Umgebungsluft auftreten. Deutlich geringere Konzentrationen werden in einer Entfernung von rund
2 m gemessen. Ungefähr 60 Sek. nach Öffnung der Maschine wir hier ein Maximum der Konzentration in einer Höhe von
300 mg/m3 während eines Zeitraums von 20 Sek. gemessen. Danach sinkt die Lösemittelkonzentration drastisch ab. Im zeitlichen Mittel werden in den Reinigungsbetrieben Konzentrationen von deutlich weniger als 10 mg/m3 gemessen. Bei der Anwendung des Dry-to-dry-Verfahrens, bei dem die Reinigung der Textilien und die Trocknung in demselben Behälter erfolgen, beträgt die Arbeitsplatzkonzentration (Schichtmittelwerte) rund 2 mg/m3 (Forschungsinstitut Hohenstein, 1996).

Perchlorethylen:Bei der Reinigung mit Perchlorethylen werden in Deutschland heute überwiegend geschlossene Maschinen mit Rückgewinnung des Lösemittels (rund 98 % der eingesetzten Maschinen) eingesetzt. Nach dem Reinigungsvorgang wird das mit dem Textilschmutz beladene Lösemittel über eine Destillationsanlage gereinigt. Die entstehenden Lösemitteldämpfe werden anschließend in einem Kühlaggregat kondensiert. Das Kondensat steht dann für einen weiteren Reinigungsschritt zur Verfügung. Ein Absorptionsfilter nimmt Restgehalte des Lösemittels in der Luft auf. Die Reinigung erfolgt vollautomatisch in den geschlossenen Maschinen.

Emissionen des Lösemittels:Sehr geringe Mengen des Lösemittels werden über den Abluftpfad (Reinigung des Absorptionsfilters) ausgetragen (rund 2 g/kg gereinigtes Textilgut). Mit dem Destillationsrückstand wird ein weiterer Teil des Lösemittels ausgetragen. Dieser kann rund 3 g/kg gereinigtes Textilgut betragen. Geringe Mengen verbleiben im Textilgut und werden beim Bügeln ausgetrieben. Auch im Kontaktwasser können weitere geringe Mengen abgegeben werden.

Lösemittelkonzentrationen in Reinigungsbetrieben: Für Perchlorethylen gilt in Deutschland ein MAK-Wert (maximale Arbeitsplatzkonzentration)von 50 ppm, d.h. 345 mg/m3 (BUA, 1994). Nach der American Conference of Governmental Industrial Hygienists (ACGIH) ist eine mittlere Exposition von 25 ppm (Mittelwert über 8 Std.) und eine kurzfristige Exposition (15 Min.) von 100 ppm zulässig (HSIA, 2000). Die amerikanische Occupational Safety and Health Administration (OSHA) verlangt eine maximale Arbeitsplatzkonzentration von 100 ppm (mittlere Konzentration in 8 Std.) bzw. 200 ppm (acceptable ceiling) und 300 ppm (acceptable maximum peak) (HSIA, 2000).

Die industrielle Herstellung von Kohlendioxid erfolgt auf unterschiedliche Weise. In der Regel werden industrielle Prozesse genutzt, bei denen CO2 freigesetzt wird. Beispiele sind die verschiedenen Verbrennungsprozesse, das Brennen von Kalk (Nutzung von CO2 zur Sodaherstellung), die Herstellung von Bier (pro Hektoliter Bier entstehen rund 1,3 kg CO2; Römpp, 2000), die Herstellung von Brot und Backwaren in Großbäckereien und andere mehr. In der Industrie werden am häufigsten die Verbrennungsgase von Generatorgas genutzt, die rund 16 bis 18 % CO2 enthalten.

Das roh erhaltene Gas wird in unterschiedlichen Waschverfahren von Staub und Schwefeldioxid befreit. Anschließend wird es in einer Absorptionslösung als eine leicht spaltbare Verbindung gebunden (z. B. als Alkalikarbonate oder als Alkanolamine). Eine andere Möglichkeit der Abtrennung besteht in der Lösung in einem geeigneten Lösemittel wie Methanol, Methylpyrrolidon, Propylencarbonat oder Ähnlichem. Aus diesen Zwischenverbindungen oder Lösungen kann es leicht in relativ reiner Form zurückgewonnen werden. Das auf dem deutschen Markt angebotene Kohlendioxid stammt zu großen Teilen von Prozessen der Großchemie. Weiterhin werden natürliche Quellen genutzt. Eine wesentliche Rohstoffquelle ist eine Bohrung der Firma Linde in Ungarn.

Treibhauseffekt:Emissionen, die zum Treibhauseffekt beitragen können, sind bei den KWL- und Per-Verfahren nur für den Bereich der Erzeugung von elektrischer Energie und bei Transporten zu berücksichtigen. Sie dürften für beide Verfahren in der gleichen Größenordnung liegen und absolut gesehen relativ gering sein. Das Gleiche gilt für die Emissionen aus der Energiebereitstellung und Transporte beim CO2-Verfahren. Unterstellt man, dass pro kg zu reinigendes Textilgut 1 kg CO2 freigesetzt wird, so ist dies mit den CO2-Emissionen bei der Erzeugung von elektrischer Energie zu vergleichen. Nimmt man nun an, dass die elektrische Energie durch Verbrennung von Kohle (100 % Kohlenstoff) mit einem Heizwert von 12.000 kJ/kg und bei einem Umwandlungswirkungsgrad von 30 % gewonnen wird, so ergibt sich für die kWh eine CO2-Erzeugung von rund 3 kg. Bei KWL- und Per-Maschinen muss man wohl insgesamt mit einer Erhöhung der CO2-Emissionen um rund 50 % im Vergleich zu den Verfahren mit organischen Lösemitteln rechnen. Ein Beitrag zum Ozonabbau kann für die hier zu vergleichenden Verfahren nur vom Einsatz von Per herrühren. Generell wird davon ausgegangen, dass die insgesamt verkaufte Lösemittelmenge zu 65 bis 70 % an die Atmosphäre abgegeben wird (BUA, 1994). Für 1998 würde dies bedeuten, dass in Westeuropa ungefähr 50.000 t Per in die Atmosphäre gelangt sind (ESCA, 2000). Verglichen mit dem Wert von 60.000 bis 64.000 t, die 1991 allein in Deutschland emittiert wurden, ist ein deutlicher Rückgang festzustellen. Per wird in der Atmosphäre fotochemisch abgebaut. An dem Abbau sind OH-Radikale beteiligt. In Abhängigkeit von der OH-Radikalkonzentration, der Temperatur und der Belichtungsintensität werden Halbwertszeiten von 16 bis 160 Tagen berechnet (BUA, 1994). Nach anderen Angaben wird Per in 5 bis 6 Monaten in der Atmosphäre abgebaut (ESCA, 2000).

Eutrophierung:Die in den KWL eingesetzten Kohlenwasserstoffe sowie Per sind keine Pflanzennährstoffe. Nur sehr geringe Konzentrationen dieser Stoffe wurden in Oberflächengewässern gefunden (BUA, 1994). Damit tragen diese Lösemittel nicht zur Gewässereutrophierung bei.

Versauerung:Nur die Nutzung von Per kann zur Versauerung beitragen. Per wird an bei Einwirkung von Licht und Wasser durch den Sauerstoff der Luft oxidiert. Primäre Oxidationsprodukte sind Tetratchlorethenepoxid und Trichloracetylchlorid. Bei höheren Temperaturen (>150°C) bildet sich direkt HCl und Phosgen. Man muss davon ausgehen, dass die gesamte Chlorfracht, die in die Luft emittiert wird, sich letztlich am Boden oder in den Oberflächengewässern wiederfindet. In Wasser wird Per in nennenswertem Maß nur unter anaeroben Bedingungen abgebaut. Adaptierte Mikroorganismen können das Lösemittel nach einer Adaptionsdauer von 19 Tagen in zwei Tagen vollständig umwandeln. Dies bedeutet, dass auch in das Grundwasser gelangte Mengen abgebaut werden. Je nach den dortigen Gegebenheiten kann dies aber auch Jahre in Anspruch nehmen (BUA, 1994). Eine Möglichkeit des aeroben Abbaus in Wasser ist nicht bekannt geworden. Damit wird es unwahrscheinlich, dass der Beitrag von Per zur Versauerung direkt beobachtet werden kann.

In Oberflächengewässern sind aber nur sehr geringe Konzentrationen an Per gemessen worden. Untersuchungen in den 80er Jahren haben zu Werten von 0,01 bis 0,15 µg/l im Ozean und in den Küstengewässern geführt. In den Flüssen wurden seinerzeit
0,5 bis 1,5 µg/l Per gemessen (BUA, 1994). Eine Studie von Eurochlor aus den 90ern belegt, dass die Per-Konzentrationen in der Nordsee im Bereich von 0,01 bis 0,4 µg/l liegen. In europäischen Flüssen, die in die Nordsee münden, liegen die Konzentrationen zwischen 0,01 und 0,9 µg/l (Eurochlor, 1997). Angesichts der geringen Mengen an Per in den Gewässern und unter Berücksichtigung des nicht vorhandenen aeroben Abbaus ist ein nennenswerter Beitrag von Per zu Gewässerversauerung nicht zu befürchten.

Beanspruchung fossiler Ressourcen:Fossile Ressourcen werden allenfalls von den KWL beansprucht, da sie aus Erdöl gewinnen werden. Allerdings ist die benötigte Erdölmenge außerordentlich gering, wenn man als Vergleich die Herstellung von Motortreibstoffen heranzieht. Zudem werden bei der Gewinnung der Isoparaffine auch noch andere Kuppelprodukte erzeugt, was eine Zurechnung der benötigten Erdölmenge zu einem einzigen Produkt ohnehin problematisch erscheinen lässt.

Per kann aus chlorhaltigen Nebenprodukten der chemischen Industrie erzeugt werden. Es ist von daher ein willkommenes Produkt, das einen Beitrag zur sinnvollen Nutzung ansonsten nur als Abfall zu entsorgender chlororganischer Verbindungen leisten kann. Auch Kohlendioxid kann im Wesentlichen als Abfallprodukt aus verschiedenen chemischen Prozessen gewonnen werden. Eine Verringerung der Ressourcen ist nicht zu befürchten.

Die bisher bekannt gewordenen Kenntnisse lassen vermuten, dass bedeutende Unterschiede bei diesen Auswirkungen der Nutzung der drei Lösemittel nicht zu erwarten sind. Untersuchungen zu Langzeitauswirkungen könnten noch neue Gesichtspunkte liefern. Insbesondere bei der CO2-Technologie ist noch nicht geklärt, inwieweit Reinigungsverstärker neue Erkenntnisse liefern.

Dietrich Brune und Helmut Krauch, Wissenschaftliches Zentrum für Umweltsystemforschung der Universität Kassel.