VTS-Herbsttagung 2023 Kreislaufwirtschaft und Textilrecycling

Lavasuisse Herbsttagung des VTS 2023: Rekordbesuch und fesselnde Einblicke in die Textilpflegebranche – ein Event geprägt von spannenden Referaten zu den Themen Innovation und Fortschritt. Was sonst noch auf dem Programm stand.

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VTS-Vizepräsident Marco Wäckerlig begrüßt die Teilnehmenden zur Herbsttagung 2023 in Härkingen. - © VTS

Vor vollen Rängen eröffnete Marco Wäckerlig, Vizepräsident des VTS (Verband Textilpflege Schweiz), die Tagung in Härklingen und gab seiner Zufriedenheit Ausdruck, dass sich die Textilpflegebranche nach mehreren Jahren endlich wieder persönlich treffen konnte.

Textile Kreislaufwirtschaft vs. Billigmode

Maria Bischoff der Europäischen Forschungsvereinigung Innovative Textilpflege EFIT – Mitveranstalterin der Versammlung – zeigte die Chancen für eine textile Kreislaufwirtschaft entlang des gesamten Lebenszyklus eines Textils auf. Erschreckend sei, dass die Schweizer-/innen jährlich rund 15 Kilogramm Kleidung entsorgen pro Kopf. Die aktuelle Kampagne des VTS ziele deshalb gerade in diese Richtung: Nachhaltigkeit und Systemrelevanz der Branche.

Textilreinigungen und Wäschereien sorgen für zertifizierte und ressourcenschonende Prozesse, das Fachpersonal sowie die schonende und validierte Pflege tragen zur Langlebigkeit der Textilien bei. Zudem arbeiten Trockenreinigungsverfahren in geschlossenen Systemen und verhindern dadurch, dass Mikroplastikeintrag in das Abwasser geleitet werden kann.

Weltweites Netzwerk

Ihr Vortrag wurde ergänzt von Jan Lamme, CEO von CIBUTEX, der live aus den Niederlanden dazugeschaltet wurde. Die Organisation – "Circular Business Textiles" – wurde im Februar 2022 gegründet und sammelt B2B-Alttextilien, um diese zusammen mit ausgewählten Partnern zurück in den textilen Kreislauf zu integrieren. Das sogenannte "Upcycling" hat zum Ziel, alte Kleidungsstoffe oder Materialabfälle aus Industrieproduktionen in etwas Neues umzuwandeln und zu veredeln. Im Gegensatz dazu steht das "Downcycling", das gebrauchte Produkte ebenfalls recycelt (z. B. als Putzlappen), wobei allerdings ein Wertverlust entstehe. Derzeit kann CIBUTEX 400 Tonnen Textilien wieder zurück in den Kreislauf bringen, die Ziele der nächsten Jahre beinhalten eine Vervielfachung dieses Wertes.

Zertifizierung als Ausdruck der Nachhaltigkeit

Elena Winkler, Market Development Manager der Testex AG, informierte über das modulare Zertifizierungssystem OEKO-TEX STeP für textile Produktionen und Wäschereien. Weltweit wurden bereits 235.000 Zertifikate ausgestellt. Die Firma Testex AG testet, zertifiziert und auditiert die angeschlossenen Unternehmen in der Schweiz. Die Vorteile für die zertifizierten Betriebe sind die unabhängige Überprüfung der nachhaltigen Produktionsbedingungen, die ganzheitliche Analyse und Bewertung der Produktionsbedingungen sowie der Austausch von Know-how. Die Firmen verfügen anschließend über eine klare, transparente und umfassende Dokumentation der eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen und können diese gezielt in die Kommunikationsmaßnahmen gegenüber Lieferanten und Kundschaft einbauen.

Textilservice: Nachhaltigkeit und Systemrelevanz

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Stephan Hirt, Vorsitzender der Geschäftsleitung, beim Rundgang durch die Schwob AG. - © VHS

Die aktuelle Kampagne des VTS ziele gemäß Melanie Saner, Geschäftsführerin des VTS, genau in diese Richtung. Leider profitieren derzeit nur wenige Betriebe vom Werbematerial, das in die eigenen Marketingmaßnahmen integriert und individualisiert werden kann. Melanie Saner nutzte die Gelegenheit und informierte über weitere Veranstaltungen des Verbandes. Auch die Entwicklung der Lernendenzahlen mache der Branche Sorge, 2023 konnten schweizweit gerade mal 10 neue Lehrverhältnisse abgeschlossen werden. Umso wichtiger sei es, dass sich die gesamte Branche bemerkbar und auf die zahlreich vorhandenen Karrieremöglichkeiten aufmerksam mache.

"The smart laundry"

Großes Interesse zogen auch die nachmittäglichen Besichtigungen auf sich: In Härkingen entstand auf knapp 7.000 Quadratmeter "the smart laundry" der Firma Schwob AG. Stephan Hirt, Vorsitzender der Geschäftsleitung und Mitinhaber der Schwob AG, ließ es sich nicht nehmen, einige Gruppen persönlich durch die neue Produktion zu führen. Zentraler Bestandteil des Konzeptes sei es, dass die Wäsche zu den Mitarbeitenden gelangt und nicht umgekehrt. Vorbildlich auch die Aspekte der Energieversorgung: Das gesamte Gebäude wird mittels einer Grundwasser-Wärmepumpe beheizt, zudem ist auf dem Flachdach eine Photovoltaikanlage installiert. Die Teilnehmenden schätzten die Offenheit der Firma Schwob AG und sahen es nicht als selbstverständlich an, dass nur wenige Monate nach Inbetriebnahme so vielen Marktbegleitern die Türen geöffnet wurden. Für Stephan Hirt trotz allem eine Selbstverständlichkeit: "Die Branche ist zu klein, um sich zu bekämpfen. Nur gemeinsam sind wir stark."

Nachhaltige Energieproduktion

Die zweite Besichtigung führte die Teilnehmenden nach Ruppoldingen. Die Schweiz gilt als Wasserschloss Europas und ist eines der Länder mit dem höchsten Anteil erneuerbarer Energie in der Stromproduktion. Rund zwei Drittel des Schweizer Stroms stammen aus Wasserkraft. Dieser ist einheimisch, erneuerbar und praktisch CO₂-frei. Ausgerüstet mit zwei Rohrturbinen erzeugt das Kraftwerk Ruppoldingen rund 115 Gigawattstunden pro Jahr – genügend Energie, um die Stadt Olten zu versorgen. Die Laufräder haben einen Durchmesser von 5,9 Metern und gehören damit zu den größten der Schweiz. Mit dem im Jahre 2000 errichteten Neubau wurden 300 Maßnahmen zum Schutz der Umwelt sowie zur Wiederherstellung und Neuschaffung von Natur- und Landschaftswerten entlang der Aare umgesetzt. Auf einer Länge von 8,4 Kilometern entstanden Flachwasserzonen, Inseln und Auenwälder.

Das nächste VTS-Branchentreffen findet am 21. März 2024 (neu an einem Donnerstag) in Willisau statt – mit Besichtigung der Firma Brack.