Fasern und Gewebe Zukunftsfaser Lyocell: Nun auch matt und dehnbar

1992 galt Lyocell als Zukunftsfaser. Nun – mehr als drei Jahrzehnte später – genießt die Chemiefaser weiterhin eine hohe Aufmerksamkeit. Was hinter der zellulosischen Faser und ihrer Entwicklung steckt und wie der Produktionsprozess mit geschlossenem Kreislauf funktioniert.

Auf dem Einnähetikett wird neben der Faserbezeichnung gemäß Textilkennzeichnungsverordnung auch der Markenname für die eingesetzte Lyocell-Faser angegeben.
Auf dem Einnähetikett wird neben der Faserbezeichnung gemäß Textilkennzeichnungsverordnung auch der Markenname für die eingesetzte Lyocell- Faser angegeben. - © Jussen

Das Unternehmen Lenzing aus der gleichlautenden Marktgemeinde in Oberösterreich ist laut eigener Angabe weltweiter Branchen- und Technologieführer bei Premium-Fasern aus Lyocell. Dieser Aussage ist durchaus Glauben zu schenken und veranlasst, uns im Rahmen der Recherchen für diesen Artikel insbesondere auf Innovationen dieses Unternehmens zu konzentrieren.

Einen Hinweis auf die Marktstärke der Lenzing AG in dieser Thematik gibt sicher auch die Tatsache, dass vielen eher der Markenname für die Zellulosefaser aus diesem Hause bekannt ist, nämlich TENCEL, als die tatsächliche Faserbezeichnung Lyocell.

Das ist bestimmt nicht zuletzt durch den immensen Anstieg der Partnerschaften mit namhaften Textilunternehmen begründet, die TENCEL einsetzen und diese Information auch im Rahmen der Machbarkeit über das Einnähetikett an den Endverbraucher weitergeben. Laut Firmenangaben hat sich die Anzahl der sogenannten Co-Branding-Programme zwischen 2020 und 2022 mehr als vervierfacht.

Neue Projekte und gestiegenes Umweltbewusstsein

Folglich ist auch davon auszugehen, dass es in den letzten Jahren einen entsprechenden Anstieg in den Produktionskapazitäten gegeben hat. Gemäß des schweizerischen Unternehmens "The Fibre Year Consulting" ist das auch so. Dort heißt es im Bericht für das Faserjahr 2023: "Lyocellfasern waren erneut der leistungsstärkste Fasersektor und erzielten nach dem erfolgreichen Hochlauf neuer Projekte eine zweistellige Wachstumsrate."

"Überlegene Fasereigenschaften, ein wachsendes Bewusstsein für Plastikmüll und ein wachsendes Bewusstsein der Verbraucher für umweltfreundliche Kleidung bieten gute Aussichten für zukünftiges Wachstum." Und dass obwohl die weltweite Faserproduktion in den letzten drei Jahren eher rückläufig ist. Der Auszug aus dem Bericht von "The Fibre Year Consulting" beinhaltet zwei elementare Hinweise auf die Gründe für die weiterhin positive Entwicklung von Lyocell: neue Projekte und gestiegenes Umweltbewusstsein der Verbraucher.

Filamentgarn aus Lyocell

Ein nicht mehr ganz so neues Projekt ist die Herstellung von Filamentgarn aus Lyocell. Bis 2017 wurden Lyocell-, konkret TENCEL-Fasern, ausschließlich zu Spinnfasergarnen verarbeitet. Das bedeutet, dass die regenerierten Zellulosefasern – darunter versteht man im Übrigen, dass die Zellulose nur zum Zweck der Fadenbildung durch Chemikalieneinwirkung in seinem Zustand verändert und dann wieder zurückgebildet (regeneriert) wird, wodurch die grundsätzlichen Eigenschaften von Zellulose wieder zurückgewonnen werden – nach dem Ausspinnen auf eine bestimmte Länge zugeschnitten und diese dann durch Drehung zu einem Garn verfestigt wurden.

Vor gut sieben Jahren brachte die Lenzing AG das Filamentgarn TENCEL Luxe auf den Markt. Aus diesem Endlosgarn lassen sich Stoffe mit seidenähnlicher Oberfläche und Haptik herstellen. Das feine Filamentgarn kann ausschließlich eingesetzt werden, jedoch ebenso gut auch in einer Fasermischung beispielsweise mit Seide, Wolle und Kaschmir, heißt es aus Lenzing.

Dehnbarkeit des Stoffes durch neue Verfahren: TENCEL Lyocell-Stretch fabric.
Dehnbarkeit des Stoffes durch neue Verfahren: TENCEL Lyocell-Stretch fabric. - © Lenzing

Mattes Lyocell

Eine weitere Innovation brachte das Unternehmen im Jahre 2021 auf den Markt. Die ursprüngliche Tencel-Faser hatte einen gewissen Glanz, der nicht zwingend für jede Anwendung und insbesondere im Denim-Bereich eine hohe Beliebtheit genoss. Daher erweiterte sich das Angebot durch neue matte Lyocellfasern der Marke TENCEL.

Dehnbare Lyocellstoffe

Ebenso wie die klassische Jeans-Hose eine matte Oberfläche haben soll, wird mittlerweile in vielen Bereichen auch gewünscht, dass der eingesetzte Stoff elastisch und somit das Bekleidungsstück besonders bequem ist. Üblicherweise wird das durch eine Mischung mit hochdehnbaren Fasern wie Elasthan oder Elastomultiester erzielt. Dabei handelt es sich jedoch um synthetische Faserstoffe auf Erdölbasis, denen der ein oder andere Verbraucher aus Verantwortungsbewusstsein der Umwelt gegenüber auch nicht mehr unbedingt so wohlgesonnen ist.

Mit einem innovativen Verfahren präsentiert Lenzing nun eine Alternative zur Beimischung synthetischer, dehnbarerer Fasermaterialien. Dabei wird vorbehandeltes Gewebe aus Lyocellfasern einem weiteren Nassverarbeitungverfahren unterzogen. Der Durchmesser der Lyocellfasern nimmt während diesem Überarbeitungsschritt erheblich zu.

Dadurch wird das Garn in Schussrichtung quasi gekräuselt, kann sich unter Zugeinwirkung zunächst ausdehnen und springt später bei Entlastung wieder zurück. Der Stoff wird folglich durch das neue Verfahren dehnbar und erhält eine verbesserte Rücksprungfähigkeit. Derartig bearbeitete Stoffe laufen nicht leicht ein und haben eine geringe Knitterneigung heißt es in der Pressemitteilung des Unternehmens vom Januar 2024. Insbesondere für leichte Bekleidung sieht Lenzing hier den Einsatz.

Nachhaltigkeitsaspekte von Lyocell

Das oben beschriebene Verfahren stellt eine von fossilen Rohstoffen freie Alternative zur Herstellung von Stretchstoffen dar. Allerdings schreibt sich Lenzing mit der Herstellung von Lyocell noch weitere Punkte auf die Fahne, die die natürlichen Ressourcen schonen. Grundsätzlich werden TENCEL Lyocellfasern in einem Produktionsprozess mit geschlossenem Kreislauf hergestellt. Lösungsmittel, die zur Umwandlung des Holzzellstoffes in Zellulosefasern benötigt werden, werden fast komplett zurückgewonnen und dem Kreislauf wieder zugeführt, so dass so gut wie keine Verschwendung entsteht.

Auch auf die Nachhaltigkeit des erforderlichen Rohstoffes werde geachtet. Für das Standard-Lyocell wird Holz verwendet, welches aus kontrollierten oder zertifizierten Quellen stammt. Mit der 2017 entwickelten REFIBRA-Technologie geht Lenzing noch einen wesentlichen Schritt weiter in Richtung Förderung der Kreislaufwirtschaft in der Textilwelt. Bei dieser Technologie bilden zum Teil sogenannte Pre-Consumer-Abfälle wie Zuschnittreste aus der Produktion von Baumwollbekleidung die Grundlage für die Faserproduktion. Das Verfahren trägt dadurch zur Verringerung des Bedarfs bzw. des Verbrauches an Rohstoffen aus der Natur bei. In dem Fall ist auch von chemisch recycelter Baumwolle zu sprechen.

Weiter weist Lenzing darauf hin, dass Lyocell sich auch gut für die Mischung mit mechanisch recycelter Baumwolle eignet. Damit sind die Baumwollfasern gemeint, die durch das Zerkleinern der Textilie zurückgewonnen werden. Die Fasern haben zwar grundsätzlich die ursprüngliche Struktur, sind jedoch durch den Zerkleinerungsprozess gekürzt. Die dadurch minderwertige Qualität der Baumwollfasern im Vergleich zu Neufasern kann durch die Mischung mit Lyocell ausgeglichen werden, so Lenzing.

Fazit: Ist Lyocell die Faser der Zukunft?

Die in 2016 aufgestellte Prognose hinsichtlich der weiteren positiven Entwicklung von Lyocell scheint sich bewahrheitet zu haben. Es tut sich offensichtlich weiter einiges im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Faser und auch in Bezug auf die Übernahme von Verantwortung in Sachen Umweltaspekten. Wir werden das Thema weiter im Auge behalten.