Thermofasern Wärmer als Daunen: Isoliert wie ein Eisbär

Haben Daunen bald ausgedient? Bisher konnte kein Material besser wärmen als die feinen Flaumfedern von Enten oder Gänsen. Denn keine Fasern konnten mehr Luft einschließen. Bis jetzt: Chinesische Forscher haben eine neue Thermofaser entwickelt. Als Vorbild diente das Fell von Eisbären. Die synthetische Faser verspricht viel, es gibt aber noch Haken.

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Das Fell von Eisbären erscheint weiß. Tatsächlich ist das Fell transparent, die einzelnen Haare sind innen hohl. Dieses Prinzip wurde schon oft nachgeahmt – an die hauchfeine Struktur kam bisher keine Kopie heran, zumindest bisher. - © elizalebedewa – stock.adobe.com

Selbst bei tiefstem Frost frieren Eisbären nicht. Das liegt an ihrem Fell. Es besteht aus einer schwarzen Haut und hohlen Haaren. In dieser porösen Struktur sammelt sich Luft. Eingeschlossene Luft isoliert Wärme. Verstärkt wird der Effekt dadurch, dass sich die Haare kräuseln. So entstehen Luftkammern im Fell und der Körper bleibt warm. Genau diese Struktur haben sich Forscher nun zum Vorbild genommen und mit Aerogelen nachgebaut.

Aerogel besteht vereinfacht gesagt zu mehr als 90 Prozent aus Luft und trägt den Beinamen gefrorener Rauch. Bei dem synthetischen Gel ersetzt Gas die Flüssigkeit. Das ultraleichte hochporöse Material wurde bereits 1931 entwickelt und kommt aufgrund seiner hohen Wärmedämmung bei gleichzeitig kleinem Volumen als Isolator beispielsweise bei Marsrovern der NASA zum Einsatz.

Für Textilien hingegen eigneten sich Aerogele bisher nicht: Das Material war zu brüchig, um es zu dehnen und nicht flexibel genug, um es zu verweben. Darüber hinaus verlieren Aerogelfasern bei Feuchtigkeit ihre isolierende Wirkung – sie würden keiner Maschinenwäsche standhalten. Versuche, Aerogelfasern mit anderen Materialien zu kombinieren, scheiterten bislang daran, dass sich dabei die Wärmedämmung verschlechterte.

Wie gewinnt man stabile, strickbare Aerogelfasern?

Um stabile, strickbare Aerogelfasern zu gewinnen, suchte die Forschungsgruppe um Mingrui Wu von der Zhejiang-Universität in Hangzhou Vorbilder in der Natur – und fand Eisbären: Ihr Fell hält trocken und warm. Die robusten Haare bestehen aus einem hohlen Kern und einer dichten Schale. So sind sie flexibel und robust. Diesen Kern-Schale-Aufbau ahmten die Wissenschaftler nun nach. Wie?

Die Bilder A+B zeigen, wie die Wärme bei Eisbären und bei EAF-Fasern isoliert wird. Bild C veranschaulicht, wie die neuartige Faser gewonnen wird. D+E zeigen den Aufbau der Fasern im Vergleich und Bild F zeigt die aufgespulte EAF-Faser.
Die Bilder A+B zeigen, wie die Wärme bei Eisbären und bei EAF-Fasern isoliert wird. Bild C veranschaulicht, wie die neuartige Faser gewonnen wird. D+E zeigen den Aufbau der Fasern im Vergleich und Bild F zeigt die aufgespulte EAF-Faser. - © Science

In einem Gefrierspinn-Verfahren stellten die Wissenschaftler zunächst Polymer-Aerogelfasern mit zahlreichen winzigen Hohlräumen her. Das funktioniert so: Ein flüssiger Aerogelstrang wird langsam durch einen kalten Kupferring geführt. Es bilden sich Eiskristalle und es entsteht eine lamellenartige feste Struktur mit Luftpolstern, die durch Gefriertrocknen stabil wird. Anschließend wird die Aerogelfaser mit einer dehnbaren Gummischicht umhüllt. Dazu durchläuft sie eine zähflüssige Polyurethanlösung. In verschiedenen Durchgängen testeten die Wissenschaftler die Eigenschaften der neugewonnen eingekapselten Aerogelfaser (EAF).

Ihr Fazit: EAF sind robust, flexibel und wasserabweisend. Die besten Ergebnisse erzielten Fasern mit einer 80 Mikrometer dicken Schutzschicht und einem 600 Mikrometer großen Aerogelfaserkern. Solche Fasern lassen sich bis auf das Tausendfache ihrer ursprünglichen Länge ziehen, ohne zu reißen. Im Vergleich dazu reißen herkömmliche Aerogelfasern bereits bei einer Dehnung um etwa zwei Prozent. Beim Dehnen hielt die EAF 10.000 Zyklen stand, ohne auszuleiern und behielt ihre isolierende Wirkung.

Das neue Material weist eine Wärmeleit-fähigkeit von 26,9 ± 1,8 mW/m K und übertrifft damit Textilien aus Wolle, Nylon und Polyester.
Das neue Material weist eine Wärmeleit- fähigkeit von 26,9 ± 1,8 mW/m K und übertrifft damit Textilien aus Wolle, Nylon und Polyester. - © Science

So verhält sich die neue Thermofaser im Vergleich

Aus dem neu entwickelten Fasern strickten die Wissenschaftler einen Pullover und untersuchten dessen Wärmeisolierung im Vergleich zu Bekleidungsstücken mit Daunen, aus Wolle sowie aus Baumwolle. Bei minus 20 °C Außentemperatur messen die Forscher die Temperatur auf der Außenseite der Textilien, die ein Proband trägt. Dabei gilt: Je niedriger die Gradzahl, desto besser isoliert das Bekleidungsstück:

  • Baumwoll-Sweatshirt: 10,8 °C
  • Woll-Sweatshirt: 7,2 °C
  • Daunenjacke: 3,8 °C
  • Sweatshirt aus EAF-Faser: 3,5 °C

Der Test zeigt, dass das EAF-Textil die Wärme ähnlich gut isoliert wie eine fünfmal so dicke Daunenjacke. Nicht zuletzt hielt der EAF-Pullover einer Maschinenwäsche stand, ohne sich zu verändern – eine der wichtigsten Voraussetzungen, damit das neue Material tatsächlich in den täglichen Gebrauch kommen kann. EAF-Fasern lassen sich färben und billiger als andere Garne herstellen, schreiben Zhizhi Sheng und Xuetong Zhang in einem Kommentar zu ihrer Studie in der Zeitschrift "Science". Bis Thermobekleidung aus EAF in den Läden hängt, könnte es dennoch eine Weiledauern. Zuerst muss das Verfahren für die Massenproduktion optimiert werden.

Bionik: Die Natur als Vorbild in der Textilpflegebranche

Die Natur nachzuahmen ist nicht neu, besonders in der Textil(-pflege)branche

  • Klettverschluss Der textile Klettverschluss ahmt Klettfrüchte nach. Das Prinzip: Elastische Haken verfangen sich in feinen geschlossenen Schlingen und lösen sich durch Zugkraft. 1951 meldete der Schweizer George de Mestral sein Patent an.
  • Waschmittel Bakterien, die auf Meeresalgen leben, setzen ein Enzym frei, um die Verbindung zu lösen. Dieses Enzym bauten Forscher nach, um es in Waschmittel bei kälteren Temperaturen effektiver zu machen.
  • Textilausrüstung Nach dem Vorbild von hydrophoben Proteinen von Pilzen wollen Forscher der Hohenstein Institute Textilien ausrüsten.
  • Mikroplastikfilter In Anlehnung an Fischkiemen entwickelte das Fraunhofer Institut UMSICHT und die Uni Bonn einen Filter, der Mikroplastik aus Waschmaschinen filtern soll.

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