Im Gespräch mit Beate Schäfer Sich immer wieder neu erfinden

Trotz eines Großbrandes in ihrem Unternehmen steht Beate Schäfer mit großer Zuversicht und Optimismus als Präsidentin an der Spitze des DTV. Wir sprachen mit ihr über das Kernproblem "Fachkräftemangel", über Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft, über Märkte und Kundenbedürfnisse der Zukunft sowie Verbandsaufgaben oberster Priorität.

Im Gespräch: DTV-Präsidentin Beate Schäfer.
DTV-Präsidentin Beate Schäfer: "Die meisten Menschen haben ein falsches Bild oder gar keine Kenntnisse von unserer Branche und den zahlreichen beruflichen Möglichkeiten." - © R+WT/Peter Schmid

Seit 1995 ist Beate Schäfer Geschäftsführerin der Mietwäsche-Service GmbH in Walldorf, einer Stadt im Süden des Rhein-Neckar-Kreises (Baden- Württemberg). Von 2015 bis 2021 war sie Vizepräsidentin, seit Januar 2022 nun Präsidentin des Deutschen Textilreinigungsverbandes e.V. (DTV).

Peter Schmid: Frau Schäfer, eigentlich wollten wir das Gespräch schon vor einiger Zeit führen, aber ein Großbrand hat Anfang Oktober 2023 in Ihrem Unternehmen einen Millionenschaden verursacht. Wie geht es Ihnen?

Beate Schäfer: So abwegig das auch klingen mag, mir geht es "sau-gut". Wenn man sich die Lage in Europa und der Welt anschaut, wird in Walldorf weder geschossen, noch rollen die Panzer. Wir schlafen jeden Tag mit unseren Liebsten in unseren eigenen vier Wänden und haben genug zu essen. Wenn man sich dies in schwierigen Situationen vor Augen führt, lässt sich Vieles relativieren und optimistischer betrachten.

Gibt es mittlerweile schon genauere Erkenntnisse der Brandursache?

Es gibt drei Ursachen, die weder bestätigt noch ausgeschlossen werden können. Für uns als Familie Schäfer ist aber die Fremdeinwirkung die wahrscheinlichste.

Sie sind dem Unglück mit unglaublicher Zuversicht begegnet und haben formuliert, dass "sich aus der Asche die stärksten Neuanfänge erheben können." Wie ist denn Ihre momentane Firmensituation, wie die Perspektiven? Wie die Unterstützung von Partnerwäschereien?

Eine große Stärke unserer Firma ist die Arbeitsteilung. Dadurch, dass wir drei Geschäftsführerinnen sind, die durch die nächste Generation schon tatkräftig unterstützt werden, können wir die große Menge an Aufgaben gut aufteilen. Ab dem ersten Tag konnten wir auf eine Vielzahl von Hilfsangeboten zurückgreifen. So hatten wir innerhalb der ersten Tage tausende Teile neue Wäsche, Gittercontainer und, kurioserweise am schwierigsten zu bekommen, Einhängesäcke auf dem Hof.

Auch die Zusammenarbeit mit den Kollegen, die jetzt für uns waschen, klappt ausgezeichnet und ist ein Riesen-Pfund unserer Branche. Bei der Planung wollen wir demnächst alle Maschinen bestellt haben und Ende Februar mit dem Wiederaufbau beginnen. Zur Texcare wollen wir dann unsere neuen Maschinen und Konzepte gemeinsam mit den Herstellern ausstellen, um dann bis Ende des Jahres wieder zu produzieren.

Von Ihrem Unternehmen zur Textilservice-Branche. Beim letztjährigen DTV-Jahreskongress haben Sie gesagt: „Wir haben ein Problem, das wir nur gemeinsam lösen können.“ Was ist denn im Moment das drängendste Problem?

Der Arbeitskräftemangel. Von Fachkräften wollen wir da noch gar nicht sprechen. Dieses Problem führe ich auf ein schlechtes Image und fehlende Bekanntheit in der Gesellschaft zurück. Die meisten Menschen haben ein falsches Bild oder – fast noch schlimmer – gar keine Kenntnisse von unserer Branche und den beruflichen Möglichkeiten.

Spricht man über das "Kernproblem Fachkräftemangel" wird häufig formuliert, dass Mitarbeiter immer nach einem sinnstiftenden Beruf suchen, der etwas für künftige Generationen tut. Eigentlich macht dies doch der Textildienstleister …

Absolut! Egal in welchen Betrieb Sie schauen, bringen wir mit unserer Dienstleistung nachhaltige Sicherheit und Sauberkeit zu unseren Kunden. Egal ob in der Form von PSA, hygienisch einwandfreier Krankenhauswäsche oder der frisch imprägnierten Ski-Jacke – und das in einem zirkulären Businessmodell!

Das bedeutet, man muss die Wäschereibranche als zukunftsweisenden Arbeitsplatz noch viel mehr bekannter und beliebter machen? Image-Problem einer gesamten Branche?

Wie gesagt ist dies eines unserer Hauptprobleme. Auch die Pflegebranche hat nicht das beste Image, aber jeder weiß, dass dieser Beruf und die Arbeit mit Menschen sehr sinnstiftend und erfüllend ist. Beide Berufe verbindet aber, dass wir auch an den Arbeitsbedingungen arbeiten müssen, um mehr Menschen in den Beruf zu locken.

Friedrich Eberhard, Ihr Vorgänger im Präsidentenamt, formulierte als wesentliche Aufgabe des Präsidenten "den Verband in der Öffentlichkeit und für das Mitglied starkmachen sowie für die gesamte Branche entsprechende Wertschätzung erhalten." Können Sie das noch so stehenlassen?

Das ist auch weiterhin eine Aufgabe der Präsidentin. Heute geht es aber über diese Aufgaben hinaus. Wir sind und müssen zukünftig noch stärker in Brüssel und den normgebenden Gremien präsent sein und Fehlentwicklungen verhindern. Auch in Berlin und den Bundesländern müssen wir stärker in den Dialog mit der Politik, um unsere Interessen durchzusetzen. Außerdem wird der Dialog mit unseren Zulieferern und Kunden zukünftig einen Schwerpunkt unserer Arbeit bilden. Daher auch die Verstärkung im DTV-Büro. Des Weiteren müssen wir unsere Mitglieder stärker in den Bereichen Bildung, Bürokratie und Netzwerk unterstützen, um Synergien zu heben und die Führungskräfte im Tagesgeschäft zu entlasten.

Beate Schäfer (rechts) im Gespräch mit Peter Schmid, Chefredakteur R+WTextilservice.
"Mit unserer Dienstleistung bringen wir nachhaltige Sicherheit und Sauberkeit zu unseren Kunden - und dies in einem zirkulären Businessmodell", so Beate Schäfer im Gespräch mit Peter Schmid, Chefredakteur R+WTextilservice. - © R+WT/Peter Schmid
Neue Fachkräfte gewinnen ist die eine Seite, doch was sollte ein Betrieb tun, um Mitarbeiter erstmal zu halten?

Mir hilft es immer, sich in die Lage der Mitarbeiter zu versetzen. Wieso ist der Mitarbeiter schlecht drauf oder warum entwickelt sich seine Leistung nach unten? Ich glaube es gibt zwei Schlüssel, um Mitarbeiter langfristig zu halten. Der eine sind bessere Arbeitsbedingungen durch Ergonomie und Ablaufgestaltung. Der zweite ist die Wertschätzung. Wenn im Betrieb eine absolute Spitzentonnage in dieser Woche geschafft wurde, muss dies auch gemeinsam mit den Mitarbeitern gefeiert werden.

Die Branche sollte ständig auch auf Veränderungsprozesse reagieren. Das Thema „Nachhaltigkeit“ ist dabei längst keine Floskel mehr und hat oberste Priorität?

Wir haben durchaus einen enormen Schritt in die richtige Richtung gemacht, es bleibt aber auch noch viel zu tun. Wenn ich bei Besuchen die Wäsche nach der Mangel anfasse und mir fast die Hände verbrenne, ist da noch Luft nach oben. Ich sehe aber auch eine Pflicht bei unseren Herstellern. Wenn wegen mangelnder Zutaten oder Färbungen ganze Kleidungsteile weggeschmissen werden müssen, stimmt etwas für mich nicht. Gerade die Langlebigkeit aller eingesetzten Textilien ist ein bisher noch nicht ausreichend ausgereizter Bereich.

Auch Märkte und Kundenbedürfnisse sind in ständiger Bewegung und Veränderung begriffen. Wie sollte die Branche darauf reagieren?

Jeder Wirtschaftsbetrieb muss immer überlegen, welche Dienstleistung er mit seinen Möglichkeiten erbringen kann. Man muss sich immer wieder neu erfinden und prüfen, ob das jetzige Geschäftsmodell dauerhaft einträglich ist. Um es mit Henry Ford zu sagen: Stillstand ist Rückschritt.

Welche alternativen Märkte sind wohl die Spielfelder der Zukunft?

Das wird wohl erst die Zukunft zeigen. Fakt ist, dass die Megatrends Sicherheit und Nachhaltigkeit die gesamte Gesellschaft und somit auch die Kunden und Betriebe beeinflussen werden. Man denke nur an die massiv steigenden Zahlen an E-Autos. Dadurch werden Arbeiten an Hochvoltsystemen notwendig, die eine dementsprechende Schutzausrüstung erfordern. Also da, wo jetzt noch die blaue Latzhose Standard ist, wird es in Zukunft eine Sicherheitskleidung mit Lichtbogenschutz sein. Und diese natürlich nachhaltig produziert und gepflegt und am Ende recycelt.

Der Textilservice ist eine Kreislaufwirtschaft mit großer Historie und für andere Branchen gar ein Vorzeigemodell. Stichwort: Ressourcenschonung, Restaurierung und Recycling von Textilien. Muss die Branche auch hier ihre so oft bewiesene Flexibilität und Leistungsvielfalt nicht lauter kommunizieren?

Definitiv! Wir müssen damit aufhören uns kleinzureden und rausgehen! Hierbei müssen wir aber sehr wohl darauf achten, kein Greenwashing zu betreiben. Ja, wir sind extrem ressourcenschonend. Ja, wir können z. B. Flachwäsche mit weniger als einer KWh produzieren. Aber jeder der behauptet, mit Null Emissionen zu produzieren, verwirrt den Kunden. Und das führt am Ende zu Vertrauensverlust. Auch das Thema Recycling muss ehrlich betrachtet werden. Die meisten Technologien befinden sich noch in den Kinderschuhen, um aus Textilien wieder Textilien zu machen. Und aus Plastikflaschen Textilien zu machen ist keine Kreislaufwirtschaft.

Ein Sprecher Ihrer Branche hat mal gesagt: "In unseren Genen stecken Hygiene, Nachhaltigkeit, Servicebereitschaft und handwerkliches Können." Eigentlich das beste Rezept für eine gute Zukunft?

Ich denke alle Branchen mit manueller Arbeit stehen unter enormem Druck. Egal ob Bäcker, Schreiner, Pflegekraft oder Textilreinigung. Wir alle sollten mit gutem Beispiel vorangehen und uns überlegen, wo der Schwerpunkt liegen sollte. Wir alle kommen mit Sicherheit ohne das 10. Paar Schuhe aus dem Onlineshop aus. Aber wenn es irgendwann keine Installateure mehr gibt, werden auch wir unsere Betriebe nicht mehr betreiben können. Also im Grunde genommen Handwerksarbeit wieder (Wert) schätzen und Konsum reduzieren. Das schont nebenbei auch noch die Umwelt.

Wie ist denn die Branche im europäischen Kontext eingebunden?

Da hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan. Die Gesetze und Verordnungen, die aus Brüssel kommen, beobachten wir sehr genau. Über die Vernetzung mit Dachverbänden in Brüssel und inzwischen auch durch direkte Kontakte in die EU-Kommission kommunizieren wir die Interessen und Bedürfnisse der Branche sehr stark. Mit ETSA und SBS sind wir in zwei Brüsseler Verbänden stark vertreten. Und unser DTV-Geschäftsführer, Herr Schumacher, ist regelmäßig dort zu Gesprächen.

Hat dabei auch Normen- und Zertifizierungsarbeit eine internationale Komponente?

Die europäische und internationale Komponente ist bei der Normung extrem wichtig. Daher ist der DTV auch bei ETSA und SBS so engagiert. Bereits vier Normungsexperten des DTV vertreten die Interessen der Branche in europäischen und internationalen Normungsgremien – teilweise finanziert durch EU-Gelder. In der Zertifizierungsarbeit geht es dagegen nationaler zu – auch wenn die Grundlagen der Zertifizierungen meist europäische Verordnungen und Richtlinien sind.

Das vorzeitige Aus der Energiepreisbremse hat (so eine aktuelle DTV-Umfrage) die Textilservice-Branche insgesamt nicht so sehr getroffen. Zeige aber auch, dass Härtefallregelungen dringend nötig sind, um einzelne Unternehmen vor unverhältnismäßig hohen Energiekosten zu schützen. Lösung: Sonderkündigungsrechte für Energieverträge?

Auch, aber auch Sonderkündigungsrecht und Anpassungsmöglichkeiten in Verträgen, die über Ausschreibungen vergeben wurden. Wir müssen die Möglichkeit haben, bei unverhältnismäßig stark angestiegenen Kosten diese auch an die Kunden weitergeben zu können. Sonst steht das ein oder andere Krankenhaus eines Morgens ohne Wäsche da.

Was sagen Sie mit Blick in die Zukunftskugel zu dem Satz "Nicht der günstigste, sondern der Top-Dienstleister wird sich durchsetzen"?

Überleben werden nicht unbedingt nur die Großen oder die Kleinen, sondern die, die sich am schnellsten an neue Gegebenheiten anpassen können.

Stichwort durchsetzen: Wie beurteilen Sie die zunehmende Automatisierung oder Roboterisierung der Branche?

Wir werden nicht drum herumkommen, Arbeit von Hand durch Maschinen erledigen zu lassen. Hier darf man aber nicht immer nur die großen glänzenden Roboter sehen. Es wird auf der Texcare viele kleine smarte Lösungen geben, die auch für kleine Betriebe und bei durchmischtem Kundensegment sinnvoll sind.

Viele sehen Sie als Strippenzieherin und Branchenkoordinatorin. Welche Verbands-Aufgaben haben den 2024 oberste Priorität?

Die Aufgaben im DTV gehen uns auch in diesem Jahr nicht aus, denn auch die Politik kommt mit immer neuen Ideen und Gesetzen um die Ecke. Vorrangig wird es wohl für unsere Branche um die Themen Fach- und Arbeitskräfte, Kreislaufwirtschaft und Energie gehen. Entsprechende Veranstaltungsformate für den Austausch sind auch bereits in Planung, Positionspapiere sind in Arbeit und auch die Arbeitskreise des DTV nehmen sich dieser Themen an. Daneben wollen wir den Mitgliedern natürlich auch bei den Energieaudits und den einzuführenden Energiemanagementsystemen, die nach dem neuen Energieeffizienzgesetz durchzuführen sind, hilfreich zur Seite stehen. Und nicht zuletzt wirft die Texcare schon ihre Schatten voraus – der DTV ist schließlich ideeller Partner der Messe – wir werden also mit einem Stand vertreten sein und das Programm mitgestalten.

Apropos 2024: Vom 18. bis 20. September richtet der DTV erstmal mit der Gütegemeinschaft sachgemäße Wäschepflege ein Branchentreffen gemeinsam aus. Was erwarten Sie von der Veranstaltung in Frankfurt?

Für mich wächst hier zusammen was zusammengehört. Der DTV wie auch die Gütegemeinschaft mit ihrem Sitz in Hohenstein haben ihre Stärken und Schwerpunkte. Doppelte Arbeit und Forschung wird in Zukunft vermieden und beide Mitgliedergruppen profitieren vom Wissen der jeweils anderen und können sich unterstützen. Als positiver Nebeneffekt sparen wir auch noch knappe Zeit und haben ein Wochenende mehr im Jahr, das wir mit unseren Liebsten verbringen können.

Frau Schäfer, herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute.